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Rezepte, Reels & Reichweite: Apotheken auf Social Media

Digitales Marketing. Ein professioneller Auftritt auf Instagram, TikTok oder LinkedIn bietet Apotheken die Möglichkeit, neue Kundenschichten anzusprechen und sich von der Konkurrenz abzuheben. Was dafür nötig ist und welche Hürden es zu nehmen gilt, beleuchtet PharmaTime mit zwei erfolgreichen „Medfluencerinnen“.

Zu den täglichen Aufgaben von Apothekerinnen und Apothekern gehört es, Kundinnen und Kunden zu beraten und aufzuklären, Arzneimittel herzustellen oder Rezepte mit den Krankenkassen zu verrechnen. Marketing und die Bewerbung des Angebotes kommen oft zu kurz – dabei ist die Bedeutung der beiden Bereiche nicht zuletzt wegen der großen Konkurrenz durch ausländische Online-Apotheken in den vergangenen Jahren stark gestiegen.

Womit eine Apotheke immer punkten kann, sind freundliche und kompetente Mitarbeitende, ausführliche Informationen oder attraktive Eigenmarken – nur sollte die (potenzielle) Kundschaft auch davon erfahren. Neben klassischen Werbemitteln wie der Gestaltung der Auslage oder Inseraten in Lokalzeitungen setzen Apotheken zunehmend auf digitales Marketing.

„Ich nehme ein wachsendes Interesse unserer Mitglieder an der Nutzung von Social Media-Kanälen wahr“, sagt dazu Mag. Ralph Luger vom Österreichischen Apothekerverband. Dieses zeige sich sowohl im Seminar für Jungunternehmerinnen und -unternehmer des Verbands als auch beim „Diplomlehrgang Apothekenwirtschaftsassistenz“ für PKAs, dessen Social Media-Modul stark nachgefragt sei. „Es gibt auch etliche Apotheken, die wirklich hervorragende Accounts auf Facebook oder Instagram betreiben.“

Mag.pharm. Nina Milenkovics

Auf Social Media erreicht man deutlich mehr Menschen als nur die, die in die Apotheke kommen. Immer wieder besuchen Leute unsere Apotheke, die gezielt nach mir fragen und Fotos machen wollen.

Mag.pharm. Nina Milenkovics
Apothekerin aus Graz

Besucher aus dem Ausland

Bereits lange im Online-Geschäft ist die Grazer Apothekerin Mag.pharm. Nina Milenkovics. Sie begann 2018, Videos ins Netz zu stellen, in denen es vor allem um Kosmetik ging. Heute betreibt die 36-Jährige Kanäle auf Instagram, TikTok und LinkedIn, die sie teils mehrmals täglich bespielt. Sie behandelt in ihren Reels (Kurzvideos) und Stories (nur 24 Stunden sichtbare Inhalte) Gesundheitsthemen, stellt nach eigenen Angaben Produkte aus den Bereichen „Wohlfühlen, Abnehmen, Blutzucker stabil halten und schöne Haut“ vor und gewährt Einblicke in ihr persönliches Leben. Dazu kommen ein wöchentlicher Podcast und ein YouTube-Channel, der alle ein bis zwei Wochen aktualisiert wird.

Für Milenkovics hat die starke Präsenz in sozialen Medien einen großen Vorteil. „Man erreicht deutlich mehr Menschen als nur die, die in die Apotheke kommen“, sagt die Pharmazeutin im Gespräch mit PharmaTime. „Immer wieder besuchen Leute unsere Apotheke, die gezielt nach mir fragen und Fotos machen wollen“, freut sich Milenkovics: „Oft stammen die sogar aus anderen Bundesländern oder dem Ausland.“

Auch Ralph Luger sieht das Potenzial von Social Media, neue Zielgruppen anzusprechen. „Die Generation Z erreiche ich kaum über klassische Kommunikationskanäle“, gibt er zu bedenken, „ihr Leben spielt sich am Smartphone und in den sozialen Medien ab.“ 2023 startete der Apothekerverband eine Employer Branding-Kampagne (siehe PharmaTime 3/2024), für die primär in sozialen Medien für die Arbeit in der Apotheke geworben wird.

„Ein Vollzeitjob“

Der Arbeitsaufwand für Instagram & Co ist laut Milenkovics, die ihre Videos größtenteils in der Freizeit produziert, sehr hoch. „Es ist praktisch ein Vollzeitjob“, sagt sie. „Das Filmen geht schnell, doch die Aufnahmen müssen noch geschnitten und mit Musik und Effekten hinterlegt werden.“ Auch die Planung der Postings und das Community Management – das Beantworten von Mails, persönlichen Nachrichten und Kommentaren – sei zeitintensiv. „Mir macht das alles aber Spaß, ich mag die kreative Arbeit“, sagt Milenkovics. Finanziell lohne sich ihr Online-Auftritt u.a. durch bezahlte Kooperationen mit OTC-Firmen aus dem Pharmabereich.

Viel Erfahrung mit sozialen Medien hat auch Dr. Janine Grießer, promovierte Apothekerin aus Innsbruck. Sie ist seit rund einem Jahr unter anderem auf TikTok und Instagram mit kurzen, informativen Videos aktiv. „Während ich in der Apotheke vor allem ältere Menschen berate, erreiche ich hier viele sehr junge Menschen unter 25 Jahren“, sagt sie. Viele davon wüssten nur wenig über Gesundheitsthemen und verließen sich auf teils fragwürdige Influencer ohne medizinischen Hintergrund. „Diese Entwicklung ist sehr problematisch, weswegen es gut wäre, wenn mehr Fachleute wie Apotheker oder Ärzte seriöse Inhalte erstellen würden“, findet Grießer.

Mag. Ralph Luger

Will man in diese Welt einsteigen, braucht es gute Planung, das Know-how, wie man regelmäßig zu ansprechendem Content kommt, und vor allem freie Ressourcen. Gerade das stellt viele Betriebe vor große Herausforderungen.

Mag. Ralph Luger
Leitung Kommunikation beim Österreichischen Apothekerverband

Gründe für Zurückhaltung

Warum das in Österreich noch nicht in größerem Stil passiert, erklärt sich Milenkovics durch den Zeitaufwand und rechtliche Unsicherheiten. Wofür österreichische Apotheker in welcher Form werben dürfen, ist in diversen nationalen und EU-Gesetzen sowie in der Berufsordnung geregelt (siehe Info-Kasten). „Die Berufsordnung ist allerdings ein wenig schwammig“, warnt Milenkovics. Sie selbst lasse sich regelmäßig von Anwälten beraten und frage im Zweifelsfall bei der Apothekerkammer nach.

„Ein Instagram-Account gehört nicht zum Kerngeschäft einer Apotheke“, sagt Luger. „Will man in diese Welt einsteigen, braucht es gute Planung, das Know-how, wie man regelmäßig zu ansprechendem Content kommt, und vor allem freie Ressourcen.“ Gerade das stelle viele Betriebe vor Herausforderungen: „Die Anforderungen aus dem Kerngeschäft steigen und damit ist die unternehmerische Entscheidung, wohin die Ressourcen fließen sollen, nicht immer einfach.“

Für Apotheker, die trotz aller Hürden Beiträge in sozialen Medien gestalten wollen, hat Nina Milenkovics einige Tipps: „Überlegen Sie, was das Besondere an Ihrer Apotheke ist, wer Ihre Zielgruppe sein soll und was diese interessiert.“ Dabei sei ein intensiver Austausch mit den Followern hilfreich. Laut dem Anwalt Mag. Jakob Hütthaler-Brandauer sollte vor dem Social Media-Start zudem unbedingt geklärt sein, ob man einen „Informationskanal ohne Produktwerbung anstrebt oder ob man auch oder nur Produktwerbung machen möchte“.

„Bei den Inhalten ist es wichtig, auch Persönliches zu zeigen, damit es nicht zu trocken wird“, empfiehlt Milenkovics. Wenn es einem Apotheker so gar nicht liege, vor der Kamera zu stehen, könne er auch allein mit Texten Mehrwert für Follower und Kunden bieten. Hier stehe man aber in großer Konkurrenz zu Google oder KI-Programmen wie ChatGPT, gibt die Pharmazeutin zu bedenken. Janine Grießer betont, dass man als Apotheker zu 100% hinter dem Online-Auftritt stehen sollte: „Die Zuschauer merken, ob man mit Herzblut dabei ist oder nur Werbung macht.“

Dr. Janine Grießer

Man sollte zu 100% hinter dem Social Media-Auftritt stehen. Die Zuschauer merken, ob man mit Herzblut dabei ist oder nur Werbung macht.

Dr. Janine Grießer
Apothekerin aus Innsbruck

Schattenseiten

Beide Apothekerinnen weisen darauf hin, dass eine Social Media-Präsenz auch Schattenseiten habe. „Sobald man an Reichweite gewinnt, erhält man auch schlechte Kommentare, die meistens sehr persönlich sind“, warnt Milenkovics. Dieses Problem sei je nach Plattform unterschiedlich stark ausgeprägt. „Auf TikTok ist es extrem, weil man sich dort anonym anmelden kann.“ Mittlerweile sage sie sich, dass es Positives nur geben könne, wenn es auch Negatives gebe, so Milenkovics. Sie schränkt aber ein: „An Tagen, an denen ich mich nicht zu 100% wohlfühle, schaue ich nicht in die Kommentare.“ Auch Grießer berichtet von Hassbotschaften, besonders bei Videos mit vielen Klicks. „Ich blende die aus, sonst könnte ich nicht weitermachen“, sagt die 34-Jährige. Die positiven Reaktionen auf ihre Inhalte würden aber klar überwiegen.

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