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ÖGK will Facharztbesuche stärker lenken

Die ÖGK will mit Pilotprojekten in drei Bundesländern den direkten Zugang zu Fachärzten lenken – mit Anreizen statt Pflicht. Ziel: Entlastung der Spitäler und bessere Nutzung der Hausarztversorgung.

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) will den Zugang zu fachärztlichen Leistungen und Fachambulatorien wieder stärker lenken. Vor allem Anreize sollen Patienten dazu bewegen, zuerst zum Allgemeinmediziner oder zur Allgemeinmedizinerin zu gehen, sagte ÖGK-Co-Obmann Andreas Huss am 24. April zur APA. Eine Pflicht zur Überweisung, wie es früher die Regel war, sei hingegen „jetzt einmal so nicht geplant“, betonte er.

Über die Pläne hatten zunächst die „Zeit im Bild“ sowie das „Morgenjournal“ des ORF berichtet. Gegenüber diesen milderte Huss im Pressegespräch das Ausmaß der geplanten Einschränkungen für die Patienten aber ab. „Ich möchte noch nicht von Sanktionen reden, sondern zunächst von Anreizsystemen“, unterstrich er. Wer zunächst zum Hausarzt gehe, dem könne etwa die e-Card-Gebühr erlassen werden. Auch von einer Reduktion der Rezeptgebühr war die Rede.

Pilotversuche in drei Bundesländern

Vielleicht schon heuer, eher aber 2026 sollen in drei Pilotbundesländern – voraussichtlich Steiermark, Oberösterreich und Salzburg – verschiedene Modelle der Patientenlenkung starten. Mit den Bundesländern und den jeweiligen Ärztekammern will sich Huss zuvor zusammensetzen, um die Modelle gemeinsam zu entwickeln. „Wir sind wild entschlossen, diese Dinge zumindest auszuprobieren“, betonte er. Vorbilder seien skandinavische Länder und auch die Niederlande.

Huss betonte, dass Maßnahmen zur Patientenlenkung bereits im Zuge des Finanzausgleichs vereinbart worden waren und auch im aktuellen Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS vorgesehen seien. „Das ist nicht neu“, so der ÖGK-Co-Obmann, „es ist auch kein Sparprogramm und hat nichts mit dem Defizit (der ÖGK, Anm.) zu tun.“

Wir sind wild entschlossen, diese Dinge zumindest auszuprobieren. […] Das ist nicht neu, es ist auch kein Sparprogramm und hat nichts mit dem Defizit (der ÖGK, Anm.) zu tun.

Andreas Huss, MBA
ÖGK-Co-Obmann

Mehrkosten möglich

Die Maßnahmen würden wohl auch kein Geld sparen, sondern sogar Mehrkosten verursachen. Vielmehr gehe es um einen besseren Einsatz der Ressourcen. Vor allem die Spitäler würden viel Druck für eine solche Steuerung machen. Weiterer erwarteter Vorteil: Durch ein Umschichten Richtung Allgemeinmedizin könnten die Wartezeiten auf Facharzttermine sinken.

Eine ÖGK-Auswertung von Arztbesuchen von knapp 50.000 Patientinnen und Patienten hat ergeben, dass fast 60 Prozent zuerst in die Primärversorgung, also zu Haus-, Frauen- und Kinderarzt gegangen sind. Nur ein Drittel davon musste in die Sekundärversorgung, also Fachärztin bzw. Facharzt und Spitalsambulanz, überwiesen werden, während 40 Prozent der insgesamt erfassten Personen gleich direkt dorthin gegangen sind.

FPÖ dagegen, Ärztekammer dafür

Von der FPÖ setzte es für die Pläne der Kasse Kritik. Die Sozialversicherungen täten gut daran, zunächst bei sich selbst zu sparen, meinte deren Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak in einer Aussendung. Eine verpflichtende Überweisung vom Hausarzt zum Facharzt oder in eine Fachambulanz sei „ein alter Hut“ und setze voraus, dass es auch tatsächlich genügend Hausärzte gebe, was nach wie vor nicht der Fall sei.

Zustimmung kam hingegen von der Ärztekammer. Vizepräsident Harald Mayer erklärte, ein solches Anreizsystem schon lange gefordert zu haben. Er sprach sich dafür aus, eine solche Patientenlenkung nicht nur für Fachambulatorien, sondern generell für Spitalsambulanzen einzuführen.

Aber es kamen auch kritische Stimmen aus der Ärzteschaft: Ärztekammer-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Edgar Wutscher, zeigte sich gegenüber der Tageszeitung „Kurier“ nicht erfreut, dass „Dinge über die Medien“ ausgerichtet werden. Schließlich gebe es noch einige Dinge zu klären. „Keineswegs sinnvoll“ wäre, wenn Patienten pauschal vor jeder Facharzt-Konsultation erst einmal zum Hausarzt müssen, so Wutscher, der etwa mit Folgeuntersuchungen bei Fachärzten argumentierte.

Ist das Gesundheitssystem fit genug?

Das Vorhaben der ÖGK zielt darauf ab, eine verbesserte Patientenstromlenkung zu realisieren. Fraglich ist jedoch, ob das System fit genug dafür ist. Tritt das erwünschte Resultat ein, dass jedem Facharztbesuch ein Aufsuchen des Hausarztes vorangeht, würde das einen deutlichen Mehrtaufwand für diese bedeuten. Auch bleibt abzuwarten, wie die Hausärzte in der Praxis damit umgehen werden. Denn eine Abklärung, ob ein Facharztbesuch notwendig ist, erfordert eine entsprechende Evaluation eines Allgemeinmediziners – und ein Termin bei diesem. Hat dieser weder die Zeit noch die technischen Möglichkeiten dafür, besteht die Gefahr, dass das Vorhaben der ÖGK lediglich zu einem weiteren Zwischenschritt führt, der das System nicht entlastet, sondern weiter unter Druck setzt. Klarheit werden wohl die angekündigten Pilotversuche bringen.

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