Das Immunsystem des Menschen reagiert bereits auf potenzielle Kontakte mit Krankheitserregern, selbst wenn sie nur virtuell sind. Dazu reicht schon der Anblick eines „kranken Avatars“ durch eine Virtual-Reality(VR)-Brille. Das berichten Schweizer Wissenschafter in der Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“.
„Sobald der Kontakt mit einem Krankheitserreger stattgefunden hat, kann es für das Immunsystem zu spät sein, um zu reagieren. Wir haben uns gefragt, ob antizipatorische neuronale Reaktionen potenzielle Infektionen erkennen und dem Immunsystem ein Signal geben könnten, das es auf eine Reaktion vorbereitet“, schreiben die Autoren rund um Ass.-Prof. Dr. Camilla Jandus und Prof. Dr. Andrea Serino von den Universitäten Lausanne und Genf.
Soziale Distanz, um Infektionen zu verhindern
Eine lebenswichtige Funktion eines Organismus, so die Wissenschafter, bestehe darin, den Kontakt mit Bedrohungen zu antizipieren, um sofort eine angemessene „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion auszulösen. Krankheitserreger stellen eine besondere Form von Bedrohungen dar, die erkannt und vermieden werden müssen.
Im Laufe der Evolution haben soziale Arten eine Reihe von Verhaltensreaktionen entwickelt, etwa soziale Distanzierung, die Kontakte und damit Infektionen verhindern sollen. Dies wird als „Verhaltensimmunsystem“ bezeichnet.
Biologisches Immunsystem, um Infektionen zu bekämpfen
Wenn Vermeidung nicht funktioniert und ein Krankheitserreger in den Körper eindringt, springt das biologische Immunsystem an. Wie Gehirn und Immunsystem vor einer solchen Infektion interagieren ist bislang nicht restlos geklärt und gab Anlass zur vorliegenden Untersuchung.
In der Studie erhielten 248 Menschen eine VR-Brille und bekamen in dieser virtuellen Realität drei Arten von menschlichen Avataren gezeigt: Personen mit neutralem Gesichtsausdruck, solche mit ängstlichem und welche mit deutlichen Anzeichen einer Erkrankung, etwa Hautausschlag oder Husten. Die Forscher untersuchten die Verhaltens-, Nerven- und Immunreaktionen der Probanden auf infektiöse Avatare im Vergleich zu Reaktionen, die durch Kontrollreize oder den tatsächlichen Kontakt mit Krankheitserregern – die Injektion eines Grippeimpfstoffs – hervorgerufen wurden.
Bereits virtuelle Infektionsgefahr löst Immunreaktion aus
Die Teilnehmer reagierten u.a. deutlich schneller auf Berührungen in ihrem Gesicht, wenn die krank aussehenden Avatare ihrem Körper in der virtuellen Realität besonders nahe kamen, wie das Autorenteam schreibt. Die gemessenen Gehirnaktivitäten waren andere, als jene bei Avataren, die weit entfernt oder ohne Krankheitsanzeichen waren. Daraus schließen die Forschenden, dass das zuständige System im Gehirn in Alarmbereitschaft war.
Blutanalysen zeigten, dass die Teilnehmenden beim Anblick kranker Avatare deutlich mehr und aktivere natürliche Killerzellen im Blut hatten als die Kontrollgruppen. Die Immunreaktion sei ähnlich wie bei einer echten Infektion, so die Forscher.
Die Studie mache deutlich, dass das Gehirn eine frühe Reaktion des Körpers auf eine mögliche Infektion in die Wege leiten könne. Dies geschehe, noch bevor Krankheitserreger im Körper seien. Das Resultat zeige, wie sensibel das Immunsystem alleine schon auf Hinweise für Infektionskrankheiten reagiere.
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