Start Wissenschaft Birkenpollenallergie: Toleranzbildung mit Apfel-Immuntherapie

Birkenpollenallergie: Toleranzbildung mit Apfel-Immuntherapie

Eine Birkenpollenallergie geht oft mit einer Kreuzallergie gegen Äpfel einher. Innsbrucker Wissenschafter haben nun ein Therapieschema für eine Hyposensibilisierung durch den gezielten Konsum frischer Äpfel klinisch erprobt und deren Nutzen belegt.

Bis zu 70% der Birkenpollenallergikerinnen und -allergiker leiden auch an einer pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie (pollen food allergy syndrome, PFAS), auch als orales Allergiesyndrom (OAS) bekannt. Besonders häufig reagieren Birkenpollenallergiker auf Äpfel mit Beschwerden wie Juckreiz im Bereich von Gaumen, Rachen und Ohren sowie Schleimhautschwellungen in Gaumen oder Rachen. Grund ist, dass das Apfelallergen Mal d 1 in seiner Zusammensetzung und Struktur sehr stark dem Birkenpollenallergen Bet v 1 ähnelt. So eine Kreuzreaktion mit homologen Proteinen kann bei einer Birkenpollenallergie auch beim Konsum anderer Obst- und Gemüsesorten (z.B. Birne, Kirsche, Pfirsich, Karotte, Sellerie) bzw. Nüssen auftreten, wenn auch nicht so häufig wie bei Äpfeln. 

Bisher keine Therapie für orales Allergiesyndrom

 „Bislang gibt es keine standardisierte Therapie für die Behandlung von PFAS. Behandlungsansätze mit sublingualer Immuntherapie (SLIT) oder subkutaner Immuntherapie (SCIT) haben kontroverse Ergebnisse und begrenzte Wirksamkeit gezeigt“, berichten die Studienautorinnen und -autoren im „Journal of Allergy and Clinical Immunology: In Practice“.

Die Behandlung der Birkenpollenallergie erfolgt derzeit mittels spezifischer Immuntherapie (Hyposensibilisierung). Dabei kommen neben regelmäßigen Injektionen seit Jahren auch Tabletten zum Einsatz. Durch die langjährige regelmäßige Zufuhr von Allergenextrakten in steigender Konzentration steigt die Toleranz des Immunsystems gegenüber den auslösenden Allergenen. Das Immunsystem „gewöhnt sich“ auf diese Weise an das Allergen. Der Haken daran: Eine solche Therapie ist zwar bei Pollenallergien erfolgreich, nicht jedoch bei damit assoziierten Nahrungsmittelallergien.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Norbert Reider, Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der MedUni Innsbruck
© Norbert Reider

Bisher hat man versucht, die pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie durch Behandlung der Birkenpollenallergie zu therapieren. Wir haben den Spieß umgedreht und primär die PFAS behandelt. Also eine Hyposensibilisierung, beginnend mit kleinen Mengen allergenarmer Apfelsorten.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Norbert Reider 
Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der MedUni Innsbruck

Hyposensibilisierung mit frischen Äpfeln

Genau hier setzten Bettina Müller, MSc. und Ao. Univ.-Prof. Dr. Norbert Reider von der Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der MedUni Innsbruck an. „Bisher hat man versucht, die pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie durch Behandlung der Birkenpollenallergie zu therapieren. Wir haben den Spieß umgedreht und primär die PFAS behandelt. Also eine Hyposensibilisierung, beginnend mit kleinen Mengen allergenarmer Apfelsorten“, erklärt Norbert Reider im Gespräch mit PharmaNow. „In der nun publizierten Phase-III-Studie konnten wir belegen, dass es möglich ist, eine Hyposensibilisierung der pollenassoziierten Apfelallergie mit dem regelmäßigen Verzehr ansteigender Mengen frischer Äpfel zu erreichen. Als Nebenbefund erreichten wir damit auch eine Verbesserung der zugrundeliegenden Birkenpollenallergie.“

Auch Heuschnupfensymptome gelindert

Bereits die Ergebnisse der Phase II-Studie hätten darauf hingedeutet, dass die Probanden durch die „Apfel-Therapie“ Äpfel und andere kreuzreaktive pflanzliche Nahrungsmittel wie Kirschen oder Karotten besser tolerierten. Auch die Heuschnupfensymptome der Birkenpollenallergie im Frühjahr gingen zurück. Ziel der nun publizierten Phase-III-Studie war es, ein breit anwendbares Behandlungsprotokoll unter Verwendung handelsüblicher Apfelsorten zu entwickeln sowie die Wirksamkeit, Sicherheit und Nebenwirkungen der oralen Immuntherapie auf PFAS weiter zu bewerten.

Allergentoleranz deutlich gesteigert

Die Wissenschafter testeten insgesamt 42 Apfelsorten. Individuell geeignete Apfelsorten wurden einzeln auf Basis eines Prick-Tests ausgewählt. Zusätzlich wurde die Verträglichkeit von mindestens zwei Sorten mittels oralem Provokationstest getestet, um die Anfangsdosis zu bestimmen. Diese wurde so gewählt, dass sie maximal leichte PFAS-Symptome hervorruft. 

Anschließend konsumierten 36 Patientinnen und Patienten (18 bis 70 Jahre) mit Birkenpollenallergie über einen Zeitraum von 52 Wochen Äpfel mit steigender Dosierung und Allergenität. Die Betroffenen litten zuvor meist schon jahrelang an den Symptomen der PFAS (Median 16 Jahre). Nebenwirkungen wurden wöchentlich in einem klinischen Tagebuch dokumentiert. Die Wirksamkeit der Behandlung wurde vor und nach der Therapie mittels oraler Provokation (OPT) und Prick-Test mit der hochallergenen Sorte Golden Delicious überprüft. Der Provokationstest zeigte nach der Behandlung bei allen Studienteilnehmenden eine signifikante Steigerung der Toleranz. 

Einfache, kostengünstige und praktikable Behandlungsmöglichkeit

Einen unspezifischen Desensibilisierungseffekt konnten die Forschenden ausschließen. Trotz einer dreimonatigen Behandlungspause nach dem Ende der Therapie blieben die tolerierten Apfelmengen weiterhin erhöht und verringerten sich nicht. „Wir haben damit erstmals belegt, dass die orale Immuntherapie mit Äpfeln zu einer konsistenten und dauerhaften Toleranz gegenüber Äpfeln und einer signifikant erhöhten Toleranz gegenüber anderen Bet-v-1-kreuzreaktiven Lebensmitteln führt“, so Reider.

Dies zeigte sich auch bei den immunologischen Parametern. Nach der Therapie stiegen die spezifischen IgG4-Antikörper gegen Mal d 1 deutlich an, während gleichzeitig das spezifische IgE gegen Mal d 1 und die Haut-Pricktest-Reaktivität auf Äpfel deutlich abnahmen. Außerdem zeigten die Seren der behandelten Patienten eine blockierende Wirkung auf Mal d 1. Neben der Wirksamkeit betonen die Wissenschafter als weitere Vorteile das gute Sicherheitsprofil, die leichte Verfügbarkeit und die Möglichkeit, diese Behandlungsform zu Hause durchführen zu können. 

Die Studie wurde unter anderem von der EU, dem Wissenschaftsfonds FWF sowie dem Südtiroler Apfelkonsortium und dem Südtiroler Bauernverband gefördert.

Originalpublikation:

Müller B, Reider N et al.: Structured fresh apple consumption for birch pollen food allergy syndrome in an uncontrolled phase II/III trial. J Allergy Clin Immunol Pract. 2025 Jul 7:S2213-2198(25)00611.

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