Screenings in Apotheken können Menschen mit unerkannten Herz-Kreislauf-Risikofaktoren identifizieren und einer ärztlichen Behandlung zuführen. Die Studie unter Beteiligung von Wiener Apotheken wurde nun publiziert.
Seit Jahren toben in Österreich heftige standespolitische Diskussionen zwischen der Ärztekammer und den Apothekern über deren mögliche größere Rolle in der Gesundheitsvorsorge. Mit der Novelle des Apothekengesetzes (ApoG) im Frühjahr 2024 dürfen nun auch in Apotheken sogenannte Point-of-Care-Testungen (POCT) vorgenommen werden.
Wiener Herzwochen als Basis der Datensammlung
Im Rahmen der „Wiener Herzwochen“ Ende letzten Jahres boten 98 (von 340 eingeladenen) Apotheken in Wien die Messung von kardiovaskulären Parametern an. Die MedUni Wien übernahm die wissenschaftliche Begleitung und konnte letztlich die Daten aus 47 Apotheken in der Studie auswerten. PharmaTime brachte in der aktuellen Ausgabe 7-8/2025 bereits vorab die ersten Ergebnisse.
Nun wurde die Originalstudie unter der Leitung von Univ.-Prof. DDr. Christian Schörgenhofer von der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie an der MedUni Wien im Fachjournal „Preventive Medicine Reports“ publiziert. „Obwohl Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit hauptsächlich zur Sterblichkeit beitragen, bleiben viele Menschen mit ihrem individuellen Risiko unerkannt. Das Ziel dieser Studie war es, den Anteil jener Personen mit einer solchen nicht erkannten Gefährdung unter den Kunden von öffentlichen Apotheken zu bestimmen“, schrieb das Autorenteam. Darunter auch der Präsident der Wiener Apothekerkammer, Priv.-Doz. DDr. Philipp Saiko.
Hälfte der Teilnehmer mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko
Das Herz-Kreislauf-Risiko wurde mittels Messung des HbA1c-Wertes („Langzeitblutzucker“) und einer standardisierten Einschätzung (Zehn-Jahres-Risiko nach SCORE2-Algorithmus) auf der Basis von Alter, Raucherstatus, systolischem Blutdruck sowie Gesamtcholesterin und HDL-Cholesterin errechnet. Hinzu kam auch noch der Body-Mass-Index (BMI). HbA1c- und die Cholesterinwerte aus dem Blut wurden in den Apotheken mit Standard-Messgeräten bestimmt. Die Blutdruckmessung erfolgte nach einer zehnminütigen Ruhephase.
Personen mit bereits behandelter Zuckerkrankheit oder behandelten überhöhten Cholesterinwerten wurden ausgeschlossen. Es ging darum, Menschen mit einer noch nicht identifizierten Gefährdung zu finden. Das Hauptergebnis, so die Autoren: „51 Prozent von 445 Personen wurden mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen identifiziert.“
Hinweise auf Diabetes und Bluthochdruck
Jene Personen, die eine größere Gefährdung aufwiesen, waren im Durchschnitt älter (61,5 Jahre) als der Gesamtdurchschnitt (52,4 Jahre), häufiger Raucher (26% versus 17% insgesamt) und hatten einen höheren BMI (26,2 versus 25,2). Der für das gesamte Sample ermittelte systolische Blutdruck lag bei 130 mmHg, unter den Teilnehmern mit einem erhöhten Risiko betrug er 139 mmHg. Auch beim Gesamtcholesterin und dem HbA1c-Wert wiesen die Probanden mit erhöhtem Herz-Kreislauf-Risiko höhere Werte auf. Die Teilnehmer hatten übrigens zehn Euro Kostenbeitrag für die Tests geleistet.
Erhöhte HbA1c-Werte wurden bei 21% der Teilnehmer festgestellt – 17% im Bereich von Prädiabetes (HbA1c zwischen 5,7 und 6,5%) und vier Prozent mit HbA1c-Werten, die einer Diabetes-Erkrankung entsprechen (größer 6,5%). 16% der Probanden wiesen Hinweise für einen erhöhten Blutdruck mit mehr als 140/90 mmHg auf.
Nur etwas mehr als die Hälfte suchte einen Arzt auf
Im Rahmen der Point-of-Care-Testungen empfahlen die Apothekerinnen und Apotheker jenen Teilnehmern, bei denen Hinweise auf ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko festgestellt worden war, eine Ärztin bzw. einen Arzt aufzusuchen. Einer weiteren Befragung stimmten 151 der insgesamt 445 Probanden zu.
Zwei Drittel dieser Personen konnten nach drei Monaten noch einmal erfolgreich kontaktiert werden. 57% gaben dabei an, tatsächlich einen Arzt aufgesucht zu haben. Als Ergebnis der ärztlichen Konsultation kam es in 43% der Fälle zur Einleitung oder Änderung der medikamentösen Therapie.
Screening in Apotheken erfolgreich, Folgemaßnahmen verbesserungswürdig
In der Studie hat sich laut den Autoren eindeutig gezeigt, dass derartige Programme in öffentlichen Apotheken Menschen mit noch nicht erkanntem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen identifizieren können. Dies könne insbesondere wertvoll sein, um Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die durch das bisherige Angebot, nicht erreicht werden können. Allerdings müsse man das besser in die weiteren Betreuungsabläufe integrieren.
Die Wissenschafter: „Das auf den öffentlichen Apotheken basierende Screening erwies sich als wirksam und identifizierte zahlreiche zuvor nicht diagnostizierte Personen mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko, was besonders bemerkenswert in einem umfassenden Gesundheitssystem (wie dem österreichischen; Anm.) ist. Allerdings war die Follow-Up-Rate gering, was auf eine Lücke zwischen Risikoerkennung und medizinischem Handeln hindeutet. Eine stärkere Integration von Screening-Maßnahmen in die Primärversorgung und Folgeaktivitäten in medizinischen Einrichtungen könnte die Wirksamkeit erhöhen.“
Originalpublikation:
Mehr zur Rolle von Point-of-Care-Testungen in Apotheken im Zusammenhang mit der hohen Dunkelziffer bei Diabetes lesen Sie in der aktuellen PharmaTime-Ausgabe 7-8/2025. Abo- und Bestellmöglichkeiten.