Start Wissenschaft Medizin Seltene Krankheit: Hypophosphatasie – wenn die Knochen weich werden

Seltene Krankheit: Hypophosphatasie – wenn die Knochen weich werden

Wenn Knochen brechen, Zähne zu früh ausfallen oder das Skelett schmerzt, aber keine Ursache gefunden wird, steckt manchmal mehr dahinter – etwa eine seltene Stoffwechselkrankheit wie die Hypophosphatasie (HPP). Betroffene irren oft jahrelang durch das Gesundheitssystem. Apotheken könnten dabei helfen, das Rätsel endlich zu lösen – wenn sie die entscheidenden Warnzeichen kennen.  

von Emilia Kuch

Schon als Kind hatte Tanja Schmidt (Name von der Redaktion geändert) Schmerzen in den Gelenken, sie verlor früh ihre Milchzähne und hatte mit Anfang 30 bereits acht Arthroskopien. Doch niemand stellte einen Zusammenhang her. Erst mit 32 Jahren wurde bei der heute 53-Jährigen die Ursache erkannt: HPP – eine seltene Erkrankung, durch die sie im Alltag stark eingeschränkt ist.

Ursachen und Folgen

HPP ist eine erbliche Stoffwechselerkrankung. Mutationen im ALPL-Gen verhindern das richtige Funktionieren des Enzyms TNSALP (alkalische Phosphatase). Dadurch reichern sich Pyrophosphat und Vitamin B6 (PLP) im Körper an – mit teils schweren Folgen wie weichen Knochen, schwacher Muskulatur, Skelett- und Gelenkschmerzen.

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Höller, Kinderendokrinologe und international führender HPP-Experte, Johannes Keppler Universität (JKU) Linz
© Kepler-Universitätsklinikum

Je früher sich die Hypophosphatasie manifestiert, desto schwerer ist sie und desto eher wird sie erkannt. Erwachsene mit milden Symptomen dagegen bleiben oft jahrelang undiagnostiziert, auch weil seltene Erkrankungen im Medizinstudium kaum gelehrt werden.

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Högler
Kinderendokrinologe und international führender HPP-Experte

Viele Gesichter – eine Krankheit

Die Krankheit hat zahlreiche klinische Verlaufsformen. Von der perinatal letalen Form, bei welcher Kinder mit schlecht mineralisiertem Skelett geboren werden, bis zur milden Odonto-HPP, die nur die Zähne betrifft. Die schwere infantile Form tritt mit rund 1:300.000 Geburten auf, mildere Varianten sind also häufiger, bleiben aber oft unerkannt.

„Je früher sich die Hypophosphatasie manifestiert, desto schwerer ist sie und desto eher wird sie erkannt. Erwachsene mit milden Symptomen dagegen bleiben oft jahrelang undiagnostiziert, auch weil seltene Erkrankungen im Medizinstudium kaum gelehrt werden“, so Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Högler, Kinderendokrinologe an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz und international führender HPP-Experte.

Therapie-Herausforderungen

Die Enzymersatztherapie mit Asfotase alfa hat die Aussichten für Kinder mit schwerer HPP grundlegend verbessert. Es ersetzt das für die Knochenbildung nötige Enzym. Zugelassen ist dies nur für Krankheitsverläufe, die im Kindesalter beginnen. Sie muss lebenslang verabreicht werden und ist teuer. Vor ihrer Einführung blieb oft nur Symptombehandlung. Für HPP mit Beginn im Erwachsenenalter gibt es bislang keine zugelassene Therapie. In Ausnahmefällen kommen andere Medikamente zum Einsatz.

Forschung und Zukunft

Aus Österreich, insbesondere vom Expertisezentrum für Wachstum und Osteologie der JKU Linz, kommt neue Hoffnung: Dr. Högler betreut die weltweite ALPL-Gen-Datenbank, in der alle bekannten ALPL Genvarianten gesammelt und die neu entdeckten auf ihren Krankheitswert geprüft werden.

„Unsere ALPL-Datenbank wächst kontinuierlich. Sie dient als Quelle verlässlicher Information, um Menschen, die ALPL Varianten tragen, noch besser beraten zu können. Das verbessert die Diagnostik und Versorgung von Patienten auf der ganzen Welt – auch wenn wir das nicht direkt messen können“, sagt Högler.

Fortwährend soll eine KI-Studie der JKU Laborwerte und Arztbriefe analysieren, um bislang undiagnostizierte Fälle zu finden. Heute lebt Tanja Schmidt mit der Erkrankung – medizinisch betreut, aber oft auf sich allein gestellt. „Ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit für seltene Erkrankungen – und dass man aufmerksam wird, wenn Patientinnen oder Patienten immer wieder Schmerzmittel holen. So etwas sollte in der Apotheke angesprochen werden“, sagt sie.


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Dieser Artikel ist Teil einer Serie, die von Studierenden der Hochschule Ansbach für PharmaTime produziert wurde. Die Autorinnen und Autoren besuchen derzeit das Bachelorstudium Ressortjournalismus. Die Lehrredaktion leitete Journalismustrainer Markus Feigl aus St. Pölten.

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