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Neue Kammeramtsdirektion

Der neue Kammeramtsdirektor der Apothekerkammer Mag. Walter Marschitz, BA und seine Stellvertreterin Mag. Elisabeth Zimmerer im exklusiven PharmaTime-Interview über ihr Rollen-Verständnis, ihre Prioritäten und das konfliktträchtige Verhältnis zur Ärztekammer.

Text & Interview: Dr. Stefan Galoppi, Mag. Christoph Jakesz

Seit 1. Juli leiten Sie die Kammeramts­direktion. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?

Walter Marschitz: Ich bin ausgebildeter Jurist und dem Gesundheitsbereich schon lange verbunden. Ich war 15 Jahre lang Geschäftsführer des Hilfswerks Österreich mit dem Schwerpunkt Pflege und ab 2016 Geschäftsführer der Sozialwirtschaft Österreich. In dieser Rolle habe ich Kollektivvertragsverhandlungen für rund 600 Organisationen mit mehr als 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt. Ich habe auch schon Demonstrationen vor meinem Büro erlebt. Mit herausfordernden Situationen bin ich also vertraut. Das Thema Interessensvertretung ist für mich sehr reizvoll. Die Apothekerkammer ist eine angesehene und traditionsreiche Institution, deshalb habe ich an der offenen Ausschreibung teilgenommen.

Elisabeth Zimmerer: Auch ich bin Juristin, habe mich aber schon in meiner Zeit in der Wirtschaftskammer bzw. der Industriellenvereinigung sowie im Kabinett des Justizministers immer mit Gesundheitsfragen und Gesundheitspolitik befasst. Die letzten fünf Jahre war ich bei Johnson & Johnson MedTech tätig. Die Versorgungsleistung der Apotheken hat mich immer fasziniert, es ist ein spannender Bereich. Die Apothekerkammer hat eine gute Größe, um die Mitglieder bestmöglich zu vertreten. Unter Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr ist die Kammer in der Gesundheitspolitik viel sichtbarer geworden. Daran möchten wir anknüpfen, ich sehe noch viel Potenzial.

Walter Marschitz: Apotheken erfüllen ihren Versorgungsauftrag zuverlässig und sehr unaufgeregt. Sie werden deshalb von der Öffentlichkeit oft weniger wahrgenommen. Ich sehe das aber als Bestätigung unserer Arbeit. Denn man merkt oft erst, was man hat, wenn es plötzlich fehlt. Wir wollen mit unseren pharmazeutischen Angeboten und Leistungen mehr Bewusstsein für die wichtige Rolle der Apotheken im Gesundheitssystem schaffen.

Österreichs Kammersystem nimmt international eine Sonderrolle ein. Wie würden Sie einem Freund aus den USA die konkreten Vorteile dieses Systems für seine Mitglieder erklären?

Walter Marschitz: Die Kammer hat einen legitimierten Gesamtvertretungsanspruch und ist damit der eindeutige Ansprechpartner für jedes Gegenüber. Das stärkt die Position der gesamten Branche. Auch für die Politik ist es leichter, mit einer einzigen Stelle zu verhandeln. Das hat man etwa bei der Organisation der Corona-Testungen gesehen. Als Kammer sind wir die starke Interessensvertretung der Mitglieder und unterstützen sie darüber hinaus mit vielen Beratungs- und Serviceleistungen.

Elisabeth Zimmerer: Starke Apotheken sind auch gute Arbeitgeber. Deshalb ziehen selbständige und angestellte Pharmazeutinnen und Pharmazeuten grundsätzlich an einem Strang, auch wenn es natürlich manchmal Diskussionen gibt. Ich denke, die Identifikation der Mitglieder mit einer kleineren Kammer ist prinzipiell höher als bei großen.

Walter Marschitz: Natürlich gibt es auch innerhalb der Apothekerschaft unterschiedliche Interessen. Unsere Aufgabe als Kammer ist es, einen Ausgleich zu schaffen, den standespolitisch größten gemeinsamen Nenner im Sinne der Mitglieder zu formulieren und mit starker Stimme zu vertreten. Darüber hinaus unterstützen und beraten wir die Apothekerinnen und Apotheker in allen Fragen, die sich im Zusammenhang mit ihrer Versorgungsrolle stellen.

Walter Marschitz, BA Apothekerkammer

Die Kammer hat einen legitimierten Gesamtver­tretungsanspruch und ist damit der eindeutige Ansprechpartner für jedes Gegenüber. Das stärkt die Position der gesamten Branche. Auch für die Politik ist es leichter, mit einer einzigen Stelle zu verhandeln.

Mag. Walter Marschitz, BA
Kammeramtsdirektor der Österreichischen Apothekerkammer

Ist die Zwangsmitgliedschaft heute noch zeitgemäß, oder könnte die Apothekerkammer die Mitglieder auch durch ihre Leistungen überzeugen?

Walter Marschitz: In meiner Zeit bei der Österreichischen Hochschülerschaft, die auch eine Art Kammer ist, gab es dazu eine Mitgliederbefragung. Sie ging ganz klar für die verpflichtende Mitgliedschaft aus. Ich bin überzeugt, das käme auch bei einer Abstimmung über die Apothekerkammer heraus. Selbst bei einer Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft würden wir sicher die meisten Mitglieder halten, aber den Gesamtvertretungsanspruch verlieren. Das wäre eine Schwächung.

Sind die Strukturen der vergleichsweise kleinen Apothekerkammer mit neun Landesorganisationen noch effizient?

Walter Marschitz: Wir haben keine Länderkammern, sondern Landesgeschäftsstellen mit wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die direkt bei uns angestellt sind. Diese gelebte Subsidiarität entspricht dem föderalen System in Österreich. Es ist auch gewollt, dass es thematisch unterschiedliche Schwerpunkte geben kann. Wichtig ist, dass die regionale Gesundheitspolitik einen Ansprechpartner in unmittelbarer Nähe hat.

Elisabeth Zimmerer: Die Landesgeschäftsstellen sind auch näher an den Mitgliedern in den Bundesländern. Regionale Kampagnen, Fortbildungsveranstaltungen und Gesundheitsaktionen der Apothekerkammer wären ohne die Landesorganisationen nur schwer umsetzbar. Von aufgeblähten Strukturen kann bei uns jedenfalls keine Rede sein.

Wie legen Sie Ihr Amt in der Kammeramtsdirektion an – eher als nach außen wirksamer Gestalter oder als interner Verwalter?

Walter Marschitz: Die Verwaltung spielt natürlich eine zentrale Rolle. Mit 30 Jahren Organisationserfahrung hat man einen Blick für Optimierungsmöglichkeiten – etwa in den Bereichen Innovation und Digitalisierung, Stärkung der Interessensvertretung, Weiterentwicklung des Bilds der Apotheken. Insofern wollen wir auch als Verwalter gestalten. Präsidentin Mursch-Edlmayr ist und bleibt Gesicht und Stimme der Apothekerkammer. Aber auch wir werden ein Teil der Außenwirkung sein.

Elisabeth Zimmerer: Wir wurden im Ausschreibungsverfahren sicher nicht zufällig ausgewählt. Es braucht auch auf der Ebene der Direktion einen starken politischen Austausch. Wir wollen die Kammer zukunftsfit machen und durch modernes Management sicherstellen, dass sie angesichts der rasanten Veränderungen im Gesundheitssystem zunehmend aktiv und nicht reaktiv auftritt.

Wie wichtig sind Nähe bzw. Distanz zur Parteipolitik, um als Kammer Interessen durchsetzen zu können?

Mag. Elisabeth Zimmerer Apothekerkammer

Es braucht auch auf der Ebene der Direktion einen starken politischen Austausch. Wir wollen die Kammer zukunftsfit machen und durch modernes Management sicherstellen, dass sie angesichts der rasanten Veränderungen im Gesundheitssystem zunehmend aktiv und nicht reaktiv auftritt.

Mag. Elisabeth Zimmerer
Stv. Kammeramtsdirektorin der Österreichischen Apothekerkammer

Walter Marschitz: Ich habe meine berufliche Laufbahn als Büroleiter im Generalsekretariat der ÖVP unter Erhard Busek begonnen und bekenne mich auch heute noch zur Volkspartei. Das war aber sicher kein Auswahlkriterium. Gefragt war generell Erfahrung im politischen Prozess. Als Kammer stehen wir mit allen Parteien in gutem Austausch. Die parteipolitische Äquidistanz der Apothekerkammer ist eine große Stärke unserer Berufsvertretung. 

Wie wollen Sie die Rolle der Apothekerkammer gegenüber der sehr wirkmächtigen Ärztekammer stärken?

Elisabeth Zimmerer: Dass es zwischen den beiden Kammern bei gewissen Themen Konflikte gibt, ist verständlich. Beide sind dazu da, die Interessen ihrer Mitglieder bestmöglich zu vertreten. Wir wollen aber in erster Linie die Gemeinsamkeiten herausarbeiten. Dazu gibt es auch schon erste positive Gespräche mit Vertretern der Ärztekammer.

Walter Marschitz: Es ist ein Anachronismus, dass Ärzte- und Apothekerkammer als Gegenspieler auftreten und öffentlich auch so wahrgenommen werden. Eigentlich sollten sie die engsten Verbündeten im Gesundheitssystem sein.

Als es um Impfungen in Apotheken ging, hat sich die Ärztekammer aber mit großer Vehemenz durchgesetzt.

Walter Marschitz: Impfen in der Apotheke ist keine Frage von Sieg oder Niederlage, keine Machtfrage und auf gar keinen Fall ein Geschäftsmodell – es ist ein Versorgungsmodell, ein Angebot an das Gesundheitssystem. Es würde die Kapazitätsprobleme im ärztlichen Bereich abfedern, die Durchimpfungsraten erhöhen, die Prävention stärken. Impfen in Apotheken ist daher eine Frage der Vernunft. Der Abwehrkampf der Ärzte ist mir unverständlich. Internationale Erfahrungen zeigen, dass niederschwellige Angebote die Impfbereitschaft insgesamt positiv beeinflussen.

Elisabeth Zimmerer: Wir werden dieses Thema mit den politischen Entscheidungsträgern auf jeden Fall weiter intensiv diskutieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die derzeitigen Kritiker einsehen werden, dass dieses Angebot in den Apotheken ein notwendiger und überfälliger Schritt ist.

Was sind aus Ihrer Sicht aktuell die dringendsten Probleme, die es im Sinne der Mitglieder zu lösen gilt? Wie sieht Ihre Prioritätenliste aus?

Walter Marschitz: In erster Linie muss eine faire Abgeltung der Leistungen sichergestellt werden, die die Apotheken im Auftrag des Gesetzgebers erbringen. Zweitens wird immer wieder ein Bürokratieabbau gefordert, die Betriebe brauchen endlich eine reale Entlastung. Als dritten Punkt sehe ich die (Vor-)Finanzierung hochpreisiger Medikamente, die viele Apotheken fordert.

Elisabeth Zimmerer: Wichtig ist auch die Umsetzung der neuen Möglichkeiten durch die Apothekengesetznovelle. Da braucht es eine gute Organisation, Fortbildungsmaßnahmen und die Klärung der Finanzierung durch die öffentliche Hand.

Welchen Einfluss werden die aktuellen Budgetprobleme auf Ihre Bemühungen haben?

Walter Marschitz: Das Budgetloch macht alles nicht leichter. Aber die Politik wird für das Gesundheitssystem Geld in die Hand nehmen müssen. Denn es handelt sich um Investitionen, die helfen, später weit höhere Kosten zu verhindern. Das Bewusstsein dafür ist zum Teil schon vorhanden, wir müssen aber noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Sie kennen das „Kammerbuch 2.0“ des ehemaligen NEOS-Abgeordneten Gerald Loacker. Können Sie die darin enthaltenen Zahlen für die Apothekerkammer bestätigen?

Walter Marschitz: Die Zahlen stammen aus parlamentarischen Anfragen an die Aufsichtsbehörde und sind daher plausibel. Ich bin neu im Amt und daher vor allem mit den aktuellen Zahlen vertraut.

Die Apothekerkammer hat demnach die höchsten Einnahmen pro Mitglied und das höchste Bankguthaben. Wie kommt es zu diesem Überschuss und wie soll diese gute finanzielle Ausstattung den Mitgliedern zugutekommen?

Walter Marschitz: Im Gegensatz zu anderen sind wir eine gesamtösterreichische Kammer. Deshalb werden aus meiner Sicht in dem Buch oft Äpfel mit Birnen verglichen. Die Apothekerkammer besteht seit 75 Jahren und hat in dieser Zeit notwendige Rücklagen gebildet. Das gibt uns als Interessensvertretung einen nachhaltigen Rückhalt. Wer keinen Polster hat, kommt rasch in Schwierigkeiten. Die Beiträge fließen unter anderem in die rechtliche und pharmazeutische Beratung der Mitglieder, in Qualitätssicherung, Fortbildungsprogramme und Aspiranten-Ausbildung. Mehr Mittel haben wir jetzt für Innovationsprojekte reserviert.

Elisabeth Zimmerer: Klar ist, dass die verfügbaren Mittel optimal für die Mitglieder eingesetzt werden.

Es wird geschätzt, dass ein Viertel bis ein Drittel der öffentlichen Apotheken rote Zahlen schreibt. Kann die Kammer solche Betriebe im Sinne eines Change-Managements konkret unterstützen?

Walter Marschitz: Es gibt von der Kammer einige Elemente der individuellen Unterstützung, im Prinzip sehe ich diese Frage aber eher beim Apothekerverband als Vertretung der Selbständigen angesiedelt. Unsere Aufgabe als Kammer ist es hingegen, in Verhandlungen mit der Politik die Rahmenbedingungen für alle Mitglieder zu verbessern – etwa das Problem der sinkenden Spannen bei niedrigpreisigen Medikamenten, die zu geringen Abgeltungen und die allgemeinen Preissteigerungen. Ein weiteres Ziel ist es, Parameter für die Versorgungssicherheit einer Region zu definieren und bei Mängeln mehr öffentliche Unterstützung für die örtlichen Apotheken zu lukrieren.

Was planen Sie in Sachen Nachwuchs­förderung und Gestaltung eines modernen Berufsbilds?

Elisabeth Zimmerer: Es gibt Projekte an Schulen, um den Beruf bekannter zu machen. Attraktiv wird er aber durch die realen Arbeitsbedingungen. Wir erweitern das Angebot an hochwertigen Aus- und Fortbildungen für unsere Mitglieder. Es gibt in Apotheken im Gegensatz zu anderen Branchen keine Altersdiskriminierung und keine Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Faire Teilzeitmodelle erleichtern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nicht zuletzt werden die neuen Dienstleistungsmöglichkeiten und die stärker wertgeschätzte Rolle der Apotheken im Gesundheitssystem den Apotheker-Beruf aufwerten.

Vielen Dank für das Gespräch.

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