Die European Society of Cardiology empfiehlt Impfungen als eigenständige Säule der kardiovaskulären Prävention. Und rät, angesichts der niedrigen Impfquoten, zukünftig neben Ärzten auch andere Gesundheitsdienstleister mit Impfungen zu betrauen. Hier könnten auch Apotheken ins Spiel kommen.
Ein kürzlich im European Heart Journal veröffentlichtes Konsensuspapier1 der European Society of Cardiology (ESC) beschreibt die wesentliche Rolle von Impfungen bei der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse.
Kardiovaskuläres Risiko durch Influenza bekannt
Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen weltweit die Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken an. Auch in Österreich sind sie mit 34% aller Sterbefälle die häufigste Todesursache. Neben den bekannten Risikofaktoren wie Hypertonie, Dyslipidämie und Diabetes sind in den letzten Jahren auch Entzündungsprozesse in den Fokus der Forschung gerückt.
„Wir wissen seit vielen Jahren, dass Influenza das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte erhöhen und Herzinsuffizienz verschlimmern kann“, so Professor Thomas F. Lüscher, Präsident der European Society of Cardiology (ESC) und leitender Autor des Konsensusstatements, in einer Pressemitteilung.
Wirkung geht über Infektionsprävention hinaus
„In jüngerer Zeit gibt es Hinweise, dass auch andere Atemwegsinfektionen mit einer erhöhten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität verbunden sind.“ Dazu zählen u.a. Infektionen mit SARS-CoV-2 und Pneumokokken. Nach Bewertung der Studienlage kommen die Autoren des Konsensusdokuments zum Schluss, dass Impfungen über die Prävention von Infektionserkrankungen hinaus signifikante Auswirkungen auf das kardiovaskuläre Risiko haben.
Erste konkrete Empfehlungen
Konkrete Empfehlungen spricht die ESC derzeit für Influenza-, Pneumokokken- und COVID-19-Impfungen bei Patienten mit verschiedenen kardiovaskulären Erkrankungen aus. Diese unterscheiden sich allerdings nicht grundsätzlich von jenen, die im österreichischen Impfplan bereits integriert sind.
Ein interessanter Aspekt ist die Empfehlung zur Influenza-Impfung bei Hospitalisierung aufgrund eines Herzinfarktes. Eine große randomisierte klinische Studie, die IAMI-Studie2 hätte gezeigt, dass in diesem Fall die Impfung sicher sei und die kardiovaskuläre Mortalität senke, wenn sie innerhalb von 72 Stunden nach dem Infarkt verabreicht wird.
Neu ist nun vor allem, dass Impfungen neben Antihypertensiva, Lipidsenkern und Diabetes-Medikamenten zukünftig eine eigenständige vierte Säule in der klinischen kardiovaskulären Prävention darstellen sollen. Internationale Leitlinien wie jene der American Heart Association (AHA) unterstützen dieses Konzept
Impfen in Apotheken
Bleibt das Problem der niedrigen Impfquote. „Klassischerweise werden Impfungen als Aufgabe der Hausärzte betrachtet“, so die Europäische Fachgesellschaft der Kardiologen in ihrem Statement. „Diese Strategie scheint jedoch angesichts der derzeit niedrigen Impfquoten nicht optimal zu sein, was darauf hindeutet, dass in Zukunft andere Gesundheitsdienstleister einbezogen werden sollten.“ Was wiederum die Forderung der österreichischen Apothekerschaft unterstreicht, endlich impfen zu dürfen.
Die Suche nach wirksamen Wegen zur Verbesserung der Impfquoten läuft. Die ESC zitiert in diesem Zusammenhang eine aktuelle Studie3 aus Dänemark, die den Effekt von elektronischen Anschreiben untersuchte, um die Bevölkerung über 65 Jahren zur Grippeimpfung zu motivieren. Die Ergebnisse waren eher enttäuschend und machen deutlich, wie wichtig der persönliche Patientenkontakt sei. Ein weiteres Argument für Apotheken: Als wohnortnahes, niederschwelliges Angebot sind sie oft die erste – persönliche – Anlaufstelle im Gesundheitssystem.
Informationsarbeit nötig
„Der erste Schritt zur Verbesserung der Impfquote besteht darin, Patienten, Familien und Gesundheitsdienstleister besser über die evidenzbasierten wesentlichen Vorteile und geringen Risiken der Impfung zu informieren“, schreiben die Kardiologen.
Bis es so weit ist, dass Impfungen auch in Apotheken verabreicht werden, bleibt diesen die Impfberatung. Hier soll gerade bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, vor allem bei jenen mit koronarer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz, noch gezielter der Impfstatus hinterfragt werden. Wichtig ist dabei der Hinweis, dass insbesondere die Influenza-, COVID-19- und Pneumokokkenimpfungen nicht nur Infektionsschutz bieten, sondern zusätzlich das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Komplikationen verringern.
Literatur:
- Heidecker B et al. Vaccination as a new form of cardiovascular prevention: a European Society of Cardiology clinical consensus statement. European Heart Journal 2025 (00):1-14 ↩︎
- Fröbert O et al. Influenca Vaccination After Myocardial Infarction: A Randomized, Double-blind, Placebo-Controlled, Multicenter Trial. Circulation 2021 (144) 18:1476-1484 ↩︎
- Johansen ND et al. Electronic nudges to increase influenza vaccination uptake in Denmark: a nationwide, pragmatic, registry-based, randomized implementation trial. The Lancet 2023 (401) 10382:P1103-1114 ↩︎