Den Spitzenplatz belegt MSD mit 28% vom Umsatz für neue Produkte. Da musste auch Johnson & Johnson im Jahr 2024 erneut passen.
Die Sache ist einfach: Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Pharmaindustrie wachsen immer mehr an. Das liegt daran, dass die wirklich großen Gewinne nur mit patentgeschützten Medikamenten gemacht werden können. Die Entwicklung eines neuen innovativen Arzneimittels wird gleichzeitig immer teurer.
Ging man ehemals noch von einem Anteil von rund 20% für F&E am Jahres-Gesamtumsatz von Big Pharma-Unternehmen aus, sind es bei einigen der Konzerne mittlerweile schon mehr. „Viele Unternehmen auf unserer Liste haben ihre F&E-Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr erhöht, einige sogar deutlich. AbbVie steigerte sein Budget um 66%, während AstraZeneca und Bristol Myers Squibb (BMS) Erhöhungen von 24% bzw. 20% verzeichneten“, schrieb vor Kurzem der Pharma-Informationsdienst „Fierce Biotech“.
In der wettbewerbsintensiven Pharmawelt müssen die Unternehmen immer mehr investieren, um sich zu behaupten. Ein typisches Beispiel sei Sanofi, so die Analysten. Der Konzern hätte 2024 sein Forschungs- und Entwicklungsbudget im Vergleich zu 2023 um rund 10% erhöht. Gleichzeitig beschloss er, die Mehrheitsbeteiligung an seinem Consumer-Health-Unternehmen Opella zu verkaufen, um „F&E noch stärker zu priorisieren“. Der französische Konzern landete in der aktuellen Rangliste bei den Forschungs- und Entwicklungsausgaben allerdings nur auf Rang 10.
Wobei man dazu sagen muss, dass F&E natürlich auch den Zukauf von Produkten/Unternehmen und Partnerschaften umfasst. Die investierten Milliarden sollen Innovationen von außen bringen. Die firmeninternen Forschungsabteilungen sind eher auf dem Rückzug. Das gilt natürlich nicht für die klinische Forschung, die ja erst die Unterlagen für die Einreichung von Zulassungsanträgen liefern soll.
Return on Investment: 5,9%
Der Milliardenaufwand zahlt sich – bei allem traditionellen Wehgeschrei der Kaufleute – weiterhin aus. Für 2024 berechnete der internationale Beratungskonzern Deloitte für Big Pharma einen Return on Investment (ROI, für F&E) von 5,9%. 2023 war er bei 4,1% gelegen.
Allerdings, würde man die GLP-1-Arzneimittel herausrechnen, käme man demnach nur auf einen ROI-Wert von 3,8%. So groß ist mittlerweile der Effekt der Diabetes- und Abnehmmedikamente geworden.
MSD einsam an der Spitze
MSD ist weiterhin auf Rang 1: 2023 betrug bei dem US-Konzern das F&E-Budget rund 30,5 Mrd. US-Dollar. Das hatte einen Sprung im Vergleich zu 2022 von satten 126% (damals 13,5 Mrd. US-Dollar) bedeutet. Bei einem Gesamtumsatz (2023) von 60,1 Mrd. US-Dollar hatte F&E damit einen Anteil von rund 50% ausgemacht.
Freilich, allein rund 5,5 Mrd. US-Dollar ließ sich MSD die Kollaboration mit Daiichi Sankyo bei der Entwicklung von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADCs) für die Onkologie kosten. 11,4 Mrd. US-Dollar waren in die Übernahme der Biotech-Unternehmen Prometheus und Imgo Biosciences geflossen. MSD schien jedenfalls Aufholbedarf zu haben: In der Liste der zehn Konzerne mit den meisten Projekten in der klinischen Forschung war das Unternehmen nicht vertreten gewesen.
2024 war das F&E-Budget von MSD laut den offiziellen Zahlen mit 17,9 Mrd. US-Dollar um 41% niedriger als im Jahr zuvor. Das bedeutete aber immer noch 28% vom Umsatz (64,2 Mrd.). Dafür erhöhten sich die Ausgaben für die hauseigenen Research Laboratories um 1,1 Mrd. Gründe dafür waren beispielsweise eine gesteigerte Mitarbeiterzahl und mehr Finanzmittel für die klinische Forschung. Zugekauft wird in der Pharmaindustrie immer früher, was danach die Aufwendungen für die späteren Phasen der Entwicklung steigert.
Dafür sollen laut einer Prognose innovative Arzneimittel, die mit diesen Summen entwickelt werden, dem US-Konzern bis Mitte der 2030er-Jahre Umsätze von mehr als 50 Mrd. US-Dollar bringen. Man braucht dringend neue Umsatzrenner: In nicht allzu langer Zeit (2028) wird das derzeit umsatzstärkste Arzneimittel der Welt, Keytruda® (Pembrolizumab), an das Ende seiner Schutzfristen kommen.
J&J auf der Überholspur
Neuerlich auf dem zweiten Platz in der Rangliste landete Johnson & Johnson. Bei einem viel höheren Gesamtumsatz als MSD im Jahr 2024 mit 88,8 Mrd. US-Dollar steckte der Konzern 17,2 Mrd. US-Dollar oder 19% davon in F&E.
„Der Pharmariese aus New Jersey übertraf seine bis dahin eigenen Rekordausgaben für R&D (Anm: F&E) von 15,1 Mrd. US-Dollar im Jahr 2023 um mehr als zwei Mrd. US-Dollar – ein Anstieg von fast 14%. Auch der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Umsatz des Unternehmens erhöhte sich von 17,7%, im Jahr 2023 auf 19,4%“, schrieben die US-Analysten.
Auch bei J&J wurde ein erheblicher Anteil in Zukauf bzw. in Übernahmen gesteckt. So investierte man vergangenes Jahr 2 Mrd. US-Dollar in die Übernahme von Ambrx Biopharma (San Diego) mit dessen Antikörper-Wirkstoff-Konjugat ARX517, einem potenziellen Medikament für Prostatakrebs. „Nach der Übernahme bekräftigte J&J seine Konzentration auf drei therapeutische Kerngebiete, die erstmals 2023 formuliert worden waren: Onkologie, Immunologie und Neurowissenschaften. Die Folgen dieser Fokusverlagerung zeigten sich im Februar, als das Unternehmen eine kalifornische Forschungs- und Entwicklungseinrichtung schloss, die an neuen gen- und RNA-basierten Therapien arbeitete und Netzhaut- und Infektionskrankheiten erforschte“, so „Fierce Biotech“.
Wie zuvor angekündigt, schaltete man im vergangenen Jahr bei dem Konzern auch in Sachen Vakzine weiter zurück. Ein Dengue-Projekt (Mosnodenvir) wurde beendet, weitere Pläne für die zuvor fusionierte hausinterne Abteilung für Infektionskrankheiten und Impfstoffe eingestellt. Dafür stärkte man seine Immunologie-Sparte mit der Übernahme von Proteologix (850 Mio. US-Dollar).
Proteologix (Redwood City/Kalifornien) hatte einen bispezifischen Antikörper zur Behandlung von atopischer Dermatitis und schweres Asthma entwickelt. Man stand vor dem Start von klinischen Studien. Dieser Akquisition folgte im vergangenen Jahr ein noch größerer Deal: Für 1,25 Mrd. US-Dollar übernahm man eine Tochtergesellschaft der Schweizer Numab Therapeutics und damit die Rechte an dem bispezifischen Antikörper NM26 (damals vor Phase II-Untersuchungen), ebenfalls gegen atopische Dermatitis und Asthma.
Nur noch ein ehemaliger Spitzenreiter: Roche
Nur noch ein ehemaliger Spitzenreiter bei den F&E-Ausgaben ist Roche. Das Unternehmen hatte die Liste fast ein Jahrzehnt lang angeführt. Dann wurde es 2023 verdrängt und blieb auch 2024 hinter MSD und J&J auf Platz drei.
Acht potenziell innovative Projekte in den Bereichen Onkologie und Neurologie im Früh- und mittleren Stadium der Entwicklung wurden von dem Schweizer Pharmariesen aufgegeben. Dafür investierten die Basler 2,7 Mrd. US-Dollar in die Akquisition des auf Abnehmmittel spezialisierten Unternehmens Carmot Therapeutics.
Ergebnisse einer Phase-1b-Studie von Carmot mit dem injizierbaren dualen GLP-1/GIP-Rezeptoragonisten CT-388 zeigten einen durchschnittlichen Gewichtsverlust der Probanden von 18,8% im Vergleich zu Placebo. Mit CT-996 erhielt man durch den Aufkauf auch eine oral verabreichbare Wirkstoffvariante auf diesem Gebiet. Mit CT-388 will Roche in weiteren Studien bei Probanden Gewichtsreduktionen bis zu 25% erreichen. Bei den Börsenanalysten ist mit derartigen Arzneimitteln von schwächerer Wirkung keine Furore mehr zu machen.
Die Vergleichszahlen von Roche sind trotzdem imposant. Das F&E-Budget betrug umgerechnet 14,6 Mrd. US-Dollar (minus 1,5% gegenüber 2023). Bei einem Gesamtumsatz im Jahr 2024 von 68,6 Mrd. US-Dollar machte das einen Anteil von 21,5% aus.
25% bei AstraZeneca – plus 24% an Forschungsausgaben
Auf 54 Mrd. US-Dollar belief sich im vergangenen Jahr der Umsatz von AstraZeneca. Nachdem man schon im Jahr 2023 die Investitionen in Forschung und Entwicklung um 12% gesteigert hatte, legte man 2024 noch einmal 24% drauf und erreichte eine Summe von 13,6 Mrd. US-Dollar oder 25% vom Umsatz.
In den klinischen Studien des britischen Unternehmens, auch als Partner von Daiichi Sankyo bei mit Antikörpern konjugierten Zytostatika (ADCs), gab es gemischte Ergebnisse. So schlug eine Phase-III-Untersuchung bei fortgeschrittenem oder metastasiertem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom fehl. Daraufhin wurde gar ein bereits bei der FDA eingereichter Zulassungsantrag wieder zurückgezogen. Dafür kaufte man von Fusion Pharmaceuticals (Radiopharmazeutika) für 2 Mrd. US-Dollar einen Entwicklungskandidaten (Phase II) gegen Prostatakrebs und investierte in ein Phase-III-Projekt von Amylot Pharma (Schilddrüsenerkrankungen) rund 800 Mio. US-Dollar.
Fehlschlag bei AbbVie
Mit 12,8 Mrd. US-Dollar wendete AbbVie 2024 um 66,5% mehr für F&E auf als im Jahr zuvor (Gesamtumsatz: 56 Mrd. US-Dollar). Das waren 23% des Geschäftsvolumens.
Dabei setzte es aber auch einen spektakulären Fehlschlag. Man hatte Cerevel Therapeutics für 8,7 Mrd. US-Dollar gekauft (August 2024), um dafür Emraclidin zu erhalten. Das Antipsychotikum mit dem muskarinischen Acetylcholinrezeptor (M4) als Zielstruktur sollte die Behandlung von Schizophrenie und von psychiatrischen Symptomen der Alzheimer Demenz verbessern. Doch drei Monate später gab es in zwei klinischen Studien der Phase II jeweils ernüchternde Ergebnisse.
Auf der anderen Seite: Ein weiteres Cerevel-Projekt, das Medikament Tavapadon zeigte gute Wirkung bei Morbus Parkinson in der Phase III. Man hofft auf eine Zulassung durch die FDA noch in diesem Jahr. In den US-Wirtschaftsnachrichten ist rund um Pharma immer wieder von „bets“ die Rede. Und das sind einfach Wetten!

Ein neues Medikament: 2,23 Mrd. US-Dollar an Kosten
Der Zuwachs an Investitionen in der Pharmaindustrie hat einen guten Grund. Die Aufwendungen für die Entwicklung eines neuen Arzneimittels werden ständig höher:
- Im Jahr 2024 betrugen die durchschnittlichen Kosten für die Entwicklung eines neuen Medikaments rund 2,23 Mrd. US-Dollar (2023: 2,12 Mrd.
- US-Dollar), wie der Beratungskonzern Deloitte in einem aktuellen Report dargestellt hat.
- Insgesamt berichteten zwölf von 20 der größten Pharmaunternehmen über gestiegene F&E-Kosten für Innovationen.
- Allerdings hat sich das Wachstum der Aufwendungen pro Entwicklungskandidat auf plus 6,44% und Jahr verlangsamt (2013 bis 2020 waren es jährlich plus 7,69% gewesen). Damit wird die Pharmaforschung/Entwicklung offenbar effizienter.
- Ursachen für die Kostensteigerungen: Verlängerung der Dauer von Studien, komplexere Forschungs-/Entwicklungsgebiete, makroökonomische Faktoren und weiterhin hohe Versagerquoten (besonders teuer in späten Entwicklungsphasen).




