Start Apotheke Tara Fiebermanagement: Der nächste Winter kommt bestimmt – das Fieber auch!

Fiebermanagement: Der nächste Winter kommt bestimmt – das Fieber auch!

Die saisonalen Infektionskrankheiten dämmern herauf. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) hat eine ausführliche Leitlinie herausgegeben: Fiebermanagement bei Kindern und Jugendlichen. Gerade zur richtigen Zeit.

Ein alter Spruch unter Pädiatern: Man behandelt oft mehr die Eltern als deren kranke Kinder. Deshalb wurde gleich dazu auch noch ein „Elternratgeber Fieber” angehängt.  

Definition – Höheres Fieber eher bei Älteren

Da ist zunächst einmal die Frage, was denn Fieber überhaupt ist. „In der internationalen Literatur gibt es Unterschiede, ab welcher Körpertemperatur Fieber definiert wird. In Deutschland (wohl auch in Österreich; Anm.) wird Fieber üblicherweise als zentrale Körpertemperatur von ≥ 38,5°C definiert. Bei Kindern unter drei Monaten gilt bereits eine Temperatur von ≥ 38,0°C als Fieber.”

Damit ist höheres Anfiebern, im Gegensatz zu üblichen Betrachtungsweisen, kein Charakteristikum von Babys und Kleinkindern. Also, abregen, wenn sich der oder die Kleine heiß angreift.

Genauso scheinen Begriffe wie „erhöhte Temperatur” oder gar „hohes Fieber” nicht so wirklich sinnhafte medizinische Kategorien zu sein. „Manche englischsprachigen Texte sprechen auch im Zusammenhang mit hohem Fieber (je nach Quelle ab 40°C bis ab 41,5°C) von ‚Hyperpyrexie’”, so die Leitlinie. Physiologischen Grund für diese Fieberkategorie gibt es keinen.

Mit den Eltern sprechen

Sinnvoller erscheint da schon folgender Ratschlag, weil Ängste und Sorgen der Eltern oder sonstigen Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen bezüglich Fieber sehr stark mit ihrem Wissen darüber korrelieren: „Bezugspersonen sollten über Fieber als normale und meistens hilfreiche Abwehrreaktion des Körpers im Umgang mit Krankheitserregern aufgeklärt werden.” Eine erste Möglichkeit dafür sind z.B. die frühen Kinderimpfungen.

Fiebermessen – aber richtig und altersangepasst

Dabei ist schon einmal wichtig, wie man auf die Körpertemperatur – und den Vergleich zum vorher oder später Gesunden – kommt. „Es gibt verschiedene Methoden zur Messung der Körpertemperatur. Bei der digitalen Messung wird ein elektronisch betriebenes Körpertemperatur-Thermometer wie beispielsweise ein Infrarot-Thermometer zur Messung der Gesamtwärme von Trommelfell und Gehörgang (Trommelfellthermometer), ein Stirn-/Schläfenthermometer (tympanal) oder ein Digitalthermometer zur rektalen, oralen oder dermalen Messung verwendet.”

Was dabei am wichtigsten ist: Die rektale Messung als bisheriger Goldstandard für nicht-invasive Methoden und die Messung im Ohr kommen den zentralen Messmethoden (Lungenarterie, Blasenkatheter usw.) nahe, wenn sie auch etwas ungenauer sind.  

Zur Bewertung der diagnostischen Genauigkeit der verschiedenen Fiebermessmethoden zur Anwendung bei Neugeborenen und Säuglingen liegen laut den Experten zwei Metaanalysen vor, die auch ältere Kinder und Erwachsene untersuchten.

Das Ergebnis:

  • Infrarot-Trommelfellthermometer stimmten zu rund 70% mit rektaler Messung überein.
  • Messung in der Achselhöhle, im Ohr, im Mund oder an der Stirn zeigten im Vergleich zu rektaler oder zentraler Messung niedrigere Temperaturen an (minus 0,26 bis minus 0,53°C).

Krankheitszeichen statt Krankheit

Fieber ist ein Krankheitszeichen, keine Krankheit. Ausschlaggebend für die Beurteilung des Zustandes von Kindern und Jugendlichen, die angefiebert haben, sind Allgemeinzustand, Status von Aufmerksamkeit/Bewusstseinsstörungen, Beeinträchtigungen, Schmerzen und andere Warnzeichen.

„Warnzeichen sind insbesondere Bewusstseinsstörungen, Berührungsempfindlichkeit, starke Schmerzen, schrilles Schreien, Hauteinblutungen (nicht-wegdrückbarer Hautausschlag), Austrocknung, sehr schnelles Atmen, Rekapillarisierungszeit über drei Sekunden, sehr blasse, graue oder blaue Haut, ein schwerkrankes Kind oder Fieberdauer länger als drei Tage”, heißt es in der S3-Leitlinie.

Vorsicht bei Säuglingen

Natürlich spielt auch das Alter des betroffenen Kindes eine Rolle. „Beim Auftreten von Fieber herrscht bei Säuglingen in den ersten Monaten und insbesondere in der ersten Woche im Vergleich zu älteren Kindern ein höheres Risiko für eine schwere bakterielle Infektion (SBI)”, schrieben die Experten. Hier besteht die Gefahr einer Sepsis. Seltener sind schwere virale Infektionen. Hier kann es sich eventuell um Herpes- oder Enteroviren handeln.

Umstrittener bzw. deutlich weniger geklärt ist die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen Alter, Höhe des Fiebers und schweren bakteriellen Infektionen existiert. „Vier eingeschlossene Studien zeigten, dass bei Säuglingen unter drei Monaten ein erhöhtes Risiko für eine schwere bakterielle Infektion besteht, wenn das Fieber über 40°C beträgt, verglichen mit Fieber unter 40°C (Odds Ratio (OR) = 6,24). Fünf eingeschlossene Studien zeigten in Bezug auf eine SBI bei Fieber über 40°C eine geringere Risikoerhöhung bei älteren Kindern im Vergleich zu Säuglingen“, stellt die Leitlinie fest.

So formulierten die Fachleute schließlich folgende Empfehlung: „Kinder unter drei Monaten mit einer (rektalen) Temperatur von ≥ 38°C sollen ärztlich sorgfältig hinsichtlich einer schweren bakteriellen Infektion untersucht werden. Fieber kann in dieser Altersgruppe oft fehlen, obwohl eine schwere bakterielle Infektion besteht. Entscheidend ist immer der klinische Befund.“

Wert von Fieber: Nix Genaues weiß man nicht

Der „Wert” von Fieber? Entgegen häufig geäußerter Meinungen ist die Sache wissenschaftlich nicht so ganz ausgemacht. „Im Tiermodell gibt es Hinweise, dass Fieber ein in der Evolution uralter und weit verbreiteter Schutzmechanismus gegen Erreger ist. Beim Menschen gibt es nur sehr wenige Studien zu der Fragestellung, ob sich Fieber positiv auf den Verlauf einer Infektion auswirkt“, lautet dazu der Befund.

Auch ein „Fieber-Schwellenwert“, ab dem gehandelt werden sollte, ist nicht zu erkennen. Es gibt keine eindeutige Evidenz, dass langes und hohes Fieber einem betroffenen Kind nützt.

Selbstlimitierend

Umgekehrt: „Auch das Gehirn ist gegenüber Fieber nicht so empfindlich wie vielfach angenommen. Bei Fieber im Rahmen einer Infektion reguliert der Körper die Temperatur offensichtlich so, dass Temperaturen über 42°C fast nie überschritten werden“, so die Experten. „Fieber ist bei Infektionen normalerweise, auch bei schnellem Fieberanstieg, selbstlimitierend.“ Der Einsatz von fiebersenkenden Mitteln kann das Symptom einer Erkrankung maskieren.

Fieber läuft in Phasen ab:

  • Prodromalstadium: Noch kein Fieber, Kinder sind aber beeinträchtigt, gereizt, das Verhalten ist verändert
  • Fieberanstieg: Frösteln und Wärmebedarf bis zum Schüttelfrost (nach Wärmebedarf zudecken!)
  • Fieberplateau: Körpertemperatur am Höhepunkt mit zeitweisen Schwankungen (zu warm? Abdecken!)
  • Fieberabfall: innere Solltemperatur sinkt, Schwitzen als Zeichen für Temperaturabfall
  • Genesung: kein Fieber, Kinder aber oft noch antriebslos

Die besten Gegenmittel: Ausreichende Flüssigkeitszufuhr (körperwarme Flüssigkeit, oftmaliges Anbieten). Hinzu kommt leichte Kost. Es ist nicht so wichtig, dass das Kind isst. Schlaf und Bettruhe bei Bedarf. Dazu eine Uralt-Studie, so die Leitlinie: „Da körperliche Aktivität die Körpertemperatur erhöht, wurde in einer kontrollierten Studie aus dem Jahr 1956 mit fiebrigen Kindern untersucht, ob sich Bettruhe fiebersenkend auswirkt. Es wurde kein Effekt auf die Temperatursenkung durch Bettruhe festgestellt.“

Fiebersenkende Medikamente

Der schnelle Griff zu fiebersenkenden Arzneimitteln wird nicht empfohlen. Doch ohne Zweifel haben die Medikamente ihren Wert. „Paracetamol und nicht-steroidale Entzündungshemmer (nonsteroidal antiinflammatory drugs, NSAID) wie Ibuprofen hemmen die Wirkung der Cyclooxygenase-Enzyme, die an der Produktion von Prostaglandinen beteiligt sind. Sie wirken antiphlogistisch, antipyretisch und analgetisch. Auch wird die Produktion von pyrogenen Zytokinen unterdrückt und die Produktion von endogenen entzündungshemmenden Verbindungen gefördert. Im Gegensatz zu äußerer Kühlung beeinflussen diese die zentralen Mechanismen des Fiebers, d.h. sie senken direkt den erhöhten Sollwert im Steuerungssystem der Körpertemperatur“, stellen die Experten fest.  

Am ehesten verbessern die Arzneimittel das Gesamtbefinden der fiebernden Kinder oder Jugendlichen. „Fiebersenkende Medikamente wie Paracetamol und Ibuprofen zeigen eine vergleichbare analgetische Wirksamkeit (Schmerzlinderung) bei vergleichbarem Sicherheitsprofil als Antipyretikum. Bezogen auf seine antipyretische Wirkung zeigte Ibuprofen (10mg/kg) hingegen eine stärkere Wirkung als Paracetamol (10 bis 15mg/kg) nach zwei, vier und sechs Stunden (0,34°C, 0,81°C bzw. 0,66°C) (…).“

Die Verabreichung von fiebersenkenden Mitteln kann bei Kindern und Jugendlichen aber zu mehr Aktivität und Wachheit führen und die Gesamtsituation verbessern.

Keine falschen Hoffnungen

Keine falschen Hoffnungen sollte man sich bezüglich eines Effektes der medikamentösen Fiebersenkung auf die Grunderkrankung machen. In der wissenschaftlichen Literatur ist weder bei Kindern noch bei Erwachsenen eine Wirkung einer medikamentösen Fiebersenkung auf die Grundkrankheit zu finden.

Einige Nebenwirkungen

Dafür haben die Antipyretika auch schwere unerwünschte Wirkungen (SAEs), wie eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020 zeigte:

  • Bei 27.932 Kindern unter zwei Jahren betrug die Rate an schweren unerwünschten Wirkungen 1,4% (264 von 18.371 Kindern) für Ibuprofen und 1,3% (126 von 9.561 Kindern) für Paracetamol (Tan et al., 2020). Die Einzeldosis reichte bei Paracetamol von 5 bis 15 mg/kg, bei Ibuprofen von 5 bis 12,5 mg/kg.
  • In einer Metaanalyse ergab sich eine vergleichbare Rate von Nierenschäden bei Ibuprofen (0,1%, 19 von 18.326 Kindern) sowie bei Paracetamol (0,1%, 11 von 9.427 Kindern).
  • Eine ähnliche Rate fand sich ebenfalls bei Asthma und/oder Keuchen (English: wheeze) für Ibuprofen (0,2%, 41 von 18.092 Kindern) und Paracetamol (0,3%, 26 von 9.280 Kindern).
  • Die Rate von Hepatotoxizität (Transaminasenerhöhung) betrug bei Ibuprofen 0,9% (zwei von 233 Kindern) und bei Paracetamol bis zu 1,7% (vier von 233 Kindern).

Ganz wichtig, so die Experten: „Fiebersenkende Medikamente verhindern Fieberkrämpfe nicht und sollen nicht speziell für diesen Zweck eingesetzt werden.“ 80 bis 90% der Kinder erhalten schon in den ersten Lebensjahren zumindest einmal fiebersenkende Medikamente. Da kann schon einiges an unerwünschten Effekten und Problemen zusammenkommen.

Und die Impfungen …

Fiebersenkende Arzneimittel sind auch keine vorbeugende Strategie gegen Fieberzacken nach Kinderimpfungen. „Auf die prophylaktische Gabe von fiebersenkenden Medikamenten bei Impfungen sollte verzichtet werden“, heißt es dazu in der Leitlinie.

Im Endeffekt zeigt sich hier, dass man – genauso wie beim Vorliegen von Infekten – zurückhaltend vorgehen sollte: „Fieber nach einer Impfung ist Ausdruck der Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff. Die Vermeidung von Fieber ist nach Impfungen kein Ziel an sich, sondern die Vermeidung von Unwohlsein und Schmerzen, wozu analgetische Antipyretika wie Paracetamol und Ibuprofen dienen können.“

Doch es gibt immer wieder Hinweise darauf, dass Antipyretika die Bildung von schützenden Antikörpern nach Impfungen dämpfen…

Servicetipp: Elternratgeber zum Download „Umgang mit Fieber bei Kindern und Jugendlichen“



Neue Artikel

Nebenwirkungen von Antidepressiva: individuellere Therapie nötig

Eine neue Metaanalyse zeigt erhebliche Unterschiede bei den körperlichen Nebenwirkungen gängiger Antidepressiva. Forschende fordern eine personalisierte Verschreibung, um Patienten...

Wäre ich Apotheker …

Erinnern Sie sich noch an den letzten Gesundheitsminister? Genau, ich meine denjenigen, der Sie, geschätzte Apothekerinnen und Apotheker, unter...

Halluzination statt Prinz – high durch Krötenschleim

Ein Trend, der nicht nur an Halloween für Aufsehen sorgt: Kröten abschlecken, um sich über die Giftstoffe im Krötenschleim...

„Pille danach“ in England ab sofort kostenlos erhältlich

Die Notfallverhütung ist in England niederschwelliger zugänglich: Ab sofort erhalten Personen die „Pille danach“ kostenlos in Apotheken – ohne...

 Weitere Artikel

Nebenwirkungen von Antidepressiva: individuellere Therapie nötig

Eine neue Metaanalyse zeigt erhebliche Unterschiede bei den körperlichen Nebenwirkungen gängiger Antidepressiva. Forschende fordern eine personalisierte Verschreibung, um Patienten...

Wäre ich Apotheker …

Erinnern Sie sich noch an den letzten Gesundheitsminister? Genau, ich meine denjenigen, der Sie, geschätzte Apothekerinnen und Apotheker, unter...

Halluzination statt Prinz – high durch Krötenschleim

Ein Trend, der nicht nur an Halloween für Aufsehen sorgt: Kröten abschlecken, um sich über die Giftstoffe im Krötenschleim...
Consent Management Platform von Real Cookie Banner