Ein aktueller Bericht des EU-Rechnungshofes warnt vor kritischen Arzneimittelengpässen in Europa. Die Zahl der gemeldeten Fälle hat 2023 und 2024 Rekordhöhe erreicht. Gleichzeitig fehle der EU ein wirksames System zur Krisenbewältigung. Auch Österreich ist betroffen – mit acht gemeldeten Engpässen.
EU-Rechnungshof kritisiert fehlende Koordination bei Medikamentenmangel
Die Zahl der gemeldeten Medikamentenengpässe hat in Europa ein Rekordniveau erreicht. Dies geht aus einem am 17. September veröffentlichten Bericht des Europäischen Rechnungshofes (ERH) hervor. Demnach fehlt es der EU weiterhin an einem funktionierenden System, um kritische Versorgungsengpässe zu bekämpfen.
Zwischen 2022 und Oktober 2024 meldeten die zuständigen nationalen Behörden insgesamt 136 kritische Engpässe an die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Österreich verzeichnete davon acht Fälle und liegt damit im EU-Mittelfeld auf Platz elf.
EMA mit beschränkten Befugnissen
Die EMA spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Koordination, ist aber rechtlich nicht befugt, die Mitgliedstaaten außerhalb von Gesundheitskrisen zu unterstützen. Zudem werde die Agentur laut Bericht von der Pharmaindustrie oft verspätet und unvollständig über drohende Engpässe informiert.

Die EU braucht eine wirksame Lösung zur Behebung kritischer Engpässe. Dazu muss sie das Problem an der Wurzel packen. Dies ist auch für die strategische Autonomie Europas von großer Bedeutung.
Klaus-Heiner Lehne
Mitglied des Europäischen Rechnungshofes
„Arzneimittelengpässe können schwerwiegende Folgen für die Patienten haben, die öffentliche Gesundheit gefährden und sind für Ärzte, Apotheken und Länder mit hohen Kosten verbunden“, so Klaus-Heiner Lehne, der als Mitglied des ERH für die Prüfung zuständig war. „Die EU braucht eine wirksame Lösung zur Behebung kritischer Engpässe. Dazu muss sie das Problem an der Wurzel packen. Dies ist auch für die strategische Autonomie Europas von großer Bedeutung.“
Ursachen: Auslagerung, Lieferketten, Vorratshaltung
Engpässe betreffen alle Medikamentengruppen – von Generika über Impfstoffe bis zu innovativen patentierten Präparaten. Besonders kritisch sei die Lage, wenn es keine Alternativen gibt. Hauptursachen seien Lieferkettenprobleme und die Auslagerung der Produktion (z.B. Antibiotika, Schmerzmittel) nach Asien. Die derzeitige Beschaffungspolitik sei zu stark auf niedrige Preise fokussiert, was die Abhängigkeit von Drittstaaten verstärke.
Laut Bericht führt die fehlende Koordination dazu, dass Länder Medikamente horten, was zu „Spillover“-Effekten führe, sprich, anderswo fehlen diese, da sich die Länder nicht untereinander abstimmen. Eine erstmals geplante EU-weite Liste kritischer Arzneimittel sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, garantiere aber keine ausreichende Verfügbarkeit.
Reformen und Rückverlagerung der Produktion
Zur Verbesserung der Versorgungssicherheit hat die EU-Kommission 2023 eine Reform des Arzneimittelrechts vorgeschlagen sowie heuer ein neues Gesetz zu kritischen Arzneimitteln eingebracht. Beide Vorschläge werden derzeit verhandelt.
Einige Mitgliedstaaten fördern auch aktiv die Rückverlagerung der Produktion. Österreich investierte rund 40 bis 45 Mio. Euro in den Ausbau der lokalen Wirkstoffproduktion. Der Rechnungshof kritisiert jedoch die mangelnde Abstimmung der Maßnahmen auf EU-Ebene und warnt vor Doppelgleisigkeiten und Mehrkosten.
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