Start Apotheke Die Schilddrüse: Ein kleines Organ mit großer Wirkung

Die Schilddrüse: Ein kleines Organ mit großer Wirkung

Die Schilddrüse liegt vorn am Hals, direkt unterhalb des Kehlkopfs. Obwohl die Glandula thyroidea, wie sie in der Fachsprache genannt wird, oft übersehen wird, nimmt sie eine absolut zentrale Stellung für unser Wohlbefinden ein. Man könnte sie auch als den „Dirigenten“ zahlreicher essenzieller Körperfunktionen bezeichnen. 

Das schmetterlingsförmige Organ umschließt frontal die Luftröhre mit zwei lateralen Lappen. Diese sind über einen schmalen Isthmus, einen Gewebestreifen, miteinander verbunden. Eine feine Bindegewebskapsel umgibt die Drüse äußerlich. Von dieser Hülle erstrecken sich dann zarte bindegewebige Trabekel (kleine bälkchenartige Gewebstrukturen) tief ins Drüseninnere. Jene Strukturen teilen das Schilddrüsengewebe in zahlreiche mikroskopische Läppchen, wodurch dieses vielfach unterteilte Arrangement eine hocheffiziente Hormonproduktion ermöglicht.

Schilddrüsenhormone – die Dirigenten des Körpers

Die primäre Funktion der Schilddrüse besteht in der Synthese und Sekretion von Hormonen, insbesondere Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4). Diese Hormone sind von fundamentaler Bedeutung, da sie nahezu jede Zelle des Organismus beeinflussen. Sie agieren als essenzielle Botenstoffe, die eine Vielzahl physiologischer Prozesse regulieren.

Es umfasst die metabolische Regulation, wobei T3 und T4 die Geschwindigkeit des zellulären Stoffwechsels bestimmen. Dies beeinflusst die Effizienz der Energiegewinnung und -verwertung aus Nährstoffen, mit direkten Auswirkungen auf das Körpergewicht, die Thermoregulation und das allgemeine Energieniveau.

Des Weiteren sind diese Hormone für Wachstum und Entwicklung entscheidend, insbesondere in den kindlichen und jugendlichen Phasen, wo sie das adäquate Knochenwachstum und die Reifung des Gehirns maßgeblich beeinflussen.

Im Herz-Kreislauf-System modulieren T3 und T4 die Herzfrequenz und den arteriellen Blutdruck.

Zudem spielen sie eine wesentliche Rolle für die neuropsychologischen Funktionen, indem sie die Regulation von Stimmung, kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration und Gedächtnis sowie den Schlaf-Wach-Rhythmus steuern.

Auch für die Verdauung sind diese Hormone relevant, da sie die Motilität des Verdauungstraktes beeinflussen und somit eine Rolle bei der Aufnahme und Verarbeitung von Nährstoffen spielen.

Ein Blick hinter die Kulissen

Die Produktion von Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) stellt einen hochkomplexen und präzise orchestrierten physiologischen Prozess dar. Dieser beginnt zentral im Hypothalamus des Gehirns, welcher als oberste Steuerungsinstanz das Thyrotropin Releasing Hormon (TRH) freisetzt. TRH wiederum stimuliert die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) zur Sekretion des Thyroid Stimulating Hormons (TSH). Das über den Blutkreislauf zur Schilddrüse transportierte TSH bindet dort an spezifische Rezeptoren und initiiert die Synthese und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen.

Für die Synthese von T3 und T4 ist das Spurenelement Jod ein unverzichtbarer essenzieller Rohstoff, der aktiv aus der Nahrung aufgenommen und in der Schilddrüse gespeichert wird. Ein adäquater Jodstatus ist somit unerlässlich für die Hormonbildung. Innerhalb der Schilddrüsenzellen wird Jod unter Beteiligung der Aminosäure Tyrosin in einer Reihe von enzymatischen Schritten primär zu Thyroxin (T4) verarbeitet. Dieses fungiert als die Speicherform des Hormons. Damit T4 seine biologische Wirkung entfalten kann, erfolgt in den peripheren Geweben. Insbesondere in Organen wie der Leber und den Nieren, eine Dejodierung zu Triiodthyronin (T3), der metabolisch aktiveren Hormonform. Dieser gesamte Regelkreis ist durch einen ausgeklügelten Feedback-Mechanismus fein abgestimmt. Ein erhöhter Bedarf an Schilddrüsenhormonen resultiert in einer verstärkten Ausschüttung von TSH, während eine ausreichende Hormonkonzentration eine Drosselung der TSH-Produktion bewirkt.

Wenn die Schilddrüse aus dem Takt gerät

Wenn die Schilddrüse nicht richtig funktioniert, kann das zu verschiedenen Problemen führen, die sich auf den ganzen Körper auswirken. Meistens zeigen sich diese Schilddrüsenerkrankungen entweder dadurch, dass zu viele oder zu wenige Hormone produziert werden, oder dadurch, dass sich das Organ selbst verändert.

Dabei sind folgende Krankheitsbilder zu unterscheiden:

Hypothyreose: verlangsamte Stoffwechsellage

Bei der Hypothyreose, einer Schilddrüsenunterfunktion, ist die Synthese und Sekretion von Schilddrüsenhormonen (T3 und T4) insuffizient. Dies resultiert in einer globalen Verlangsamung metabolischer Prozesse im gesamten Organismus. Klinisch äußert sich die Hypothyreose durch ein breites Spektrum unspezifischer Symptome, die sich oft schleichend entwickeln und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Typische Manifestationen umfassen persistente Fatigue und Leistungsminderung, eine Tendenz zur Gewichtszunahme trotz unveränderter Kalorienaufnahme, erhöhte Kälteempfindlichkeit sowie dermatologische Auffälligkeiten wie trockene Haut und Haarausfall. Gastrointestinale Symptome wie Obstipation sind ebenfalls häufig. Auf neuropsychologischer Ebene können depressive Verstimmungen, Konzentrationsstörungen und eine allgemeine kognitive Verlangsamung beobachtet werden. Die primäre Ursache der Hypothyreose in jodgesättigten Regionen ist die Hashimoto-Thyreoiditis, eine Autoimmunerkrankung, bei der es zu einer chronischen lymphozytären Infiltration und Zerstörung des Schilddrüsengewebes kommt.

Hyperthyreose: beschleunigte Stoffwechsellage

Im Gegensatz dazu ist die Hyperthyreose durch eine exzessive Produktion und Freisetzung von Schilddrüsenhormonen charakterisiert, was den Energieverbrauch des Körpers beschleunigt und den Stoffwechsel stark anregt. Die Symptomatik der Hyperthyreose ist oft ausgeprägter und umfasst unerklärlichen Gewichtsverlust trotz gesteigerten Appetits, kardiovaskuläre Symptome wie Tachykardie und Palpitationen, sowie neurologische Manifestationen wie Nervosität, Tremor und innere Unruhe. Vegetative Symptome wie Hyperhidrose (vermehrtes Schwitzen) und Wärmeintoleranz sind ebenfalls prominent. Häufig treten auch Schlafstörungen und eine erhöhte Darmmotilität, die sich als Diarrhö äußern kann, auf. Die häufigste Ursache der Hyperthyreose ist der Morbus Basedow, eine weitere Autoimmunerkrankung, bei der stimulierende Antikörper gegen den TSH-Rezeptor gebildet werden, was zu einer unkontrollierten Hormonproduktion führt.

Strukturelle Veränderungen der Schilddrüse

Neben den Dysfunktionen der Hormonproduktion können auch morphologische Veränderungen der Schilddrüse auftreten:

  • Schilddrüsenknoten: Hierbei handelt es sich um umschriebene Gewebeveränderungen innerhalb der Schilddrüse. Die meisten Knoten sind gutartig und asymptomatisch. Jedoch können einige Knoten autonom Hormone produzieren („heiße Knoten“) und eine Hyperthyreose verursachen, während ein geringer Prozentsatz bösartig ist und eine weitere Abklärung erfordert.
  • Kropf (Struma): Eine Struma bezeichnet eine Vergrößerung der Schilddrüse. Historisch war die häufigste Ursache ein chronischer Jodmangel, der die Schilddrüse zu kompensatorischem Wachstum anregt, um die Hormonproduktion aufrechtzuerhalten. Auch Autoimmunerkrankungen (z.B. Hashimoto-Thyreoiditis) oder multiple Knoten können zur Strumabildung führen.

Diese unterschiedlichen Erkrankungsbilder erfordern eine präzise Diagnostik und eine individualisierte Therapie, um die regulierte Stoffwechsellage wiederherzustellen und potenzielle Komplikationen zu vermeiden.

Ein kritischer Blick auf Nahrungsergänzungsmittel

Bei der Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen taucht oft die Frage auf, ob Nahrungsergänzungsmittel eine Rolle spielen können. Hier ist es wichtig, zwischen wissenschaftlich belegten Effekten und unbelegten Behauptungen zu unterscheiden.

Für eine gesunde Schilddrüsenfunktion spielen verschiedene Nährstoffe eine wichtige Rolle, auch wenn sie keinesfalls eine ärztliche Behandlung ersetzen. Jod ist ein unverzichtbarer Baustein der Schilddrüsenhormone. Während hierzulande die Jodversorgung durch jodiertes Speisesalz und jodreiche Lebensmittel in der Regel ausreicht, kann in Jodmangelgebieten eine Supplementierung sinnvoll sein, um einem Kropf vorzubeugen. Vorsicht ist jedoch geboten bei einer Schilddrüsenüberfunktion oder Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, da eine zusätzliche Jodzufuhr hier problematisch sein kann.

Das Spurenelement Selen ist essenziell für die Umwandlung des weniger aktiven Schilddrüsenhormons T4 in das aktive T3. Bei Hashimoto-Thyreoiditis gibt es Studien, die darauf hindeuten, dass eine Selen-Ergänzung Entzündungen reduzieren und die Symptome verbessern kann.11 Hierbei hat sich anorganisches Selen als wirksamer erwiesen als organische Formen. Die Einnahme sollte jedoch stets in Absprache erfolgen und idealerweise nach einer Überprüfung des Selenstatus, da eine Überdosierung schädlich sein kann. 

Zink trägt ebenfalls zur Schilddrüsenfunktion und zur Umwandlung von T4 in T3 bei. Bei einem festgestellten Zinkmangel kann eine entsprechende Supplementierung sinnvoll sein, um die Schilddrüsenfunktion zu unterstützen.

Ein Mangel an Vitamin D ist bei Autoimmunerkrankungen, einschließlich Schilddrüsenerkrankungen, weit verbreitet. Da Vitamin D wichtig für das Immunsystem ist und Studien einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und dem Risiko für Hashimoto andeuten, ist eine Supplementierung bei einem festgestellten Mangel ratsam.

Schließlich können Omega-3-Fettsäuren mit ihren entzündungshemmenden Eigenschaften eine unterstützende Rolle spielen, indem sie das allgemeine Entzündungsgeschehen im Körper beeinflussen.

Quellen:

  1. Huwiler VV, et al., Selen-Ergänzung bei Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis: Eine systematische Überprüfung und Meta-Analyse randomisierter klinischer Studien. Schilddrüse. 2024 Mär;34(3):295-313.

    Silbernagl, S., & Lang, F. (2019). Taschenatlas Pathophysiologie (6. vollständig überarbeitete Aufl.). Thieme

    Gröber, U. (2018). Mikronährstoffe: Basiswissen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart. 
    ↩︎

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