Eine neue Studie warnt vor dem häufigen Einsatz potenziell ungeeigneter Medikamente (PIMs) bei älteren onkologischen Patienten, da diese das Risiko für Gebrechlichkeit, Hospitalisierungen und Sterblichkeit erhöhen. Die Autoren empfehlen daher Medikationsanalysen.
Polypharmazie betrifft fast 40% der Betroffenen
Ältere Menschen mit Krebs erhalten häufig mehrere Medikamente gleichzeitig. Etwa 40% nehmen fünf oder mehr Medikamente ein (=Polypharmazie), was das Risiko für Wechsel- und Nebenwirkungen erhöht. Das zeigte eine Studie an der Harvard Medical School, wie das Deutsche Ärzteblatt berichtete.
Medikation von knapp 400.000 Krebspatienten analysiert
Zur Bewertung solcher Risiken nutzten die Forschenden die GO-PIM-Skala (Geriatric Oncology – Potentially Inappropriate Medications). Diese wurde speziell für ältere onkologische Patienten entwickelt und erfasst besonders risikobehaftete Medikamente.
Die retrospektive US-Kohortenstudie analysierte die Daten von rund 388.000 Betroffenen mit soliden oder hämatologischen Tumoren, die zwischen 2000 und 2022 neu diagnostiziert wurden.
PIMs erhöhen Gebrechlichkeit, Hospitalisierungen und Sterblichkeit
Die Analyse der Forschenden zeigte, dass rund 38% der Krebspatientinnen und -patienten mindestens ein PIM in den 90 Tagen vor der Krebsdiagnose erhielten.
Besonders häufig verschrieben wurden:
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRIs) (12%)
- Opioide (10,4%)
- Benzodiazepine (9,2%)
- Kortikosteroide (9,2%)
Darüber hinaus zeigten die Daten:
- Jedes weitere PIM erhöhte die Wahrscheinlichkeit für Gebrechlichkeit um 66%.
- Auch das Risiko für ungeplante Krankenhausaufenthalte und Sterblichkeit stieg mit der Anzahl der PIMs signifikant an.
Die Zusammenhänge blieben auch nach Anpassung für Alter, Komorbidität und Tumorstadium bestehen.
Frühzeitige Medikationsanalysen empfohlen
Die Forschenden empfehlen, potenziell schädliche Medikamente frühzeitig zu erkennen und kritisch zu prüfen. „Wir haben festgestellt, dass vielen Patientinnen und Patienten chronische und unterstützende Medikamente verschrieben werden, die mehr schaden als nützen können – insbesondere, wenn sie bereits mit komplexen Gesundheitsproblemen zu kämpfen haben“, so Jennifer La von der Harvard Medical School. Eine strukturierte Überprüfung könne Sicherheit und Behandlungsergebnisse verbessern.
Arzneimittelanalyse in der Apotheke reduziert Gesundheitsprobleme
In Österreich sind laut Apothekerkammer etwa 500.000 Menschen von Polypharmazie betroffen. Eine Studie der ÖAK, der MedUni Wien und des Dachverbands der Sozialversicherungsträger zeigte Ende 2024, dass eine strukturierte Analyse eingenommener Arzneimittel in der Apotheke die Zahl von gesundheitlichen Problemen um bis zu 70% reduzieren kann. Gleichzeitig werde die Therapieadhärenz, also die Bereitschaft und Fähigkeit einer Patientin bzw. eines Patienten, die Behandlungsempfehlungen des Arztes zu befolgen, deutlich verbessert.