Eine umfassende Metaanalyse bestätigt: Placebos können Beschwerden lindern, selbst wenn Patientinnen und Patienten wissen, dass sie keine Wirkstoffe enthalten.
Wenn Personen wissen, dass sie Scheinmedikamente – also solche ohne pharmakologischen Wirkstoff – erhalten, lautet der Fachbegriff dafür Open-Label-Placebos (OLPs).
Deren Wirkung bestätigte nun eine aktuelle Metaanalyse unter der Leitung von Stefan Schmidt, Forschungsprofessor an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. Die Arbeit wurde Mitte August 2025 im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht.
60 Studien mit rund 4.600 Teilnehmenden
Insgesamt umfasste die Analyse 60 randomisierte kontrollierte Studien mit 4.648 Teilnehmenden und bestätigte einen kleinen bis mittleren positiven Effekt von OLPs auf verschiedene Gesundheitsparameter – vor allem bei subjektiven Beschwerden.
Der Effekt war unabhängig von der Darreichungsform. Zum Einsatz kamen u.a. Tabletten, Nasensprays, Tropfen und Cremes. In einer Studie sollten sich die Teilnehmenden lediglich einbilden, dass sie ein Placebo erhalten.
Forschung zu Open-Label-Placebos nimmt zu
Aus der bisherigen Forschung ist bekannt, dass Placebos nicht nur bei psychischen Erkrankungen wirken, sondern auch bei körperlichen Leiden. Ein Fokus liegt auf der Schmerzbehandlung. Dort wird die Wirkung durch eine Aktivierung endogener Opiate verursacht, also durchaus ein biologischer Vorgang.
Bislang galt jedoch die Annahme, dass ihre Wirkung eine Täuschung voraussetzt – also den Glauben, ein „echtes“ Medikament zu erhalten.
Diese Sichtweise wurde bereits 2010 durch die erste OLP-Studie von Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School in Boston infrage gestellt. Seitdem nimmt die Zahl qualitativ hochwertiger Studien kontinuierlich zu.
Placebowirkung auch ohne Täuschung
Die nun veröffentlichte Metaanalyse unterscheidet erstmals systematisch zwischen klinischen und nicht-klinischen Studien sowie zwischen subjektiven (Selbstauskünfte) und objektiven (messbaren) Ergebnissen.
In klinischen Studien litten die Teilnehmenden an verschiedenen Krankheiten (z.B. allergische Rhinitis, chronische Kreuzschmerzen, Reizdarmsyndrom, Depressionen), in nicht-klinischen Studien wurden experimentell bestimmte Symptome oder Belastungen erzeugt (z.B. durch Zeigen belastender Bilder, künstlich erzeugte Schmerzen oder Juckreiz).
Die Ergebnisse:
- Klinische Probandinnen und Probanden profitierten von OLPs sogar stärker als gesunde Versuchspersonen.
- Bei Selbstauskünften zeigte sich ein signifikanter Effekt, bei objektiven Daten hingegen nicht.
Erwartung als Schlüsselmechanismus
Die Studienautoren betonen, dass es zentral für den Therapieerfolg sei, eine ausführliche und verständliche Erklärung zur Wirkung von Placebos zu liefern, die bei den Probanden Erwartungshaltungen aufbaue. Diese müssen verstehen, dass der Placeboeffekt real und die regelmäßige Einnahme bzw. Anwendung wichtig sei.
„Unsere Ergebnisse bestärken uns darin, offene Placebos weiter zu erforschen – insbesondere ihre langfristige Wirkung und die Frage, ob sie sich auch auf objektive Gesundheitsparameter auswirken“, so Schmidt in einer Presseaussendung. „Zukünftig könnte daraus ein neuer, ethisch verantwortlicher Behandlungsansatz entstehen, denn wir können nun wirksame Placebos ohne Täuschung verabreichen.“
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