Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor einer weltweiten Epidemie der von Mücken übertragenen Viruserkrankung Chikungunya. In Deutschland empfahl die Ständige Impfkommission (Stiko) Anfang Juli erstmals eine Reiseimpfung gegen Chikungunya. Österreich empfiehlt diese schon etwas länger.
„Wir schlagen frühzeitig Alarm, damit die Länder sich rechtzeitig vorbereiten“, sagte WHO-Sprecherin Diana Rojas Alvarez am Dienstag vor Journalisten in Genf. Die Krankheit sei bereits in 119 Ländern nachgewiesen worden, „wodurch 5,6 Milliarden Menschen gefährdet sind“.
Aus der Geschichte lernen
2004 und 2005 war es bereits zu einer großen Epidemie in Inselstaaten des Indischen Ozeans gekommen, bei der rund eine halbe Million Menschen erkrankte. „Heute beobachtet die WHO das gleiche Muster“, erklärte Rojas Alvarez. Das Virus breite sich im Indischen Ozean aus, aber auch in Madagaskar, Somalia und Kenia sowie in Südasien.
Auch in Europa wurden importierte Fälle gemeldet, die mit dem Ausbruch auf den Inseln in Verbindung stehen. „Da diese Übertragungsmuster bereits beim Ausbruch ab 2004 zu beobachten waren, fordert die WHO dringende Maßnahmen, um eine Wiederholung der Geschichte zu verhindern“, sagte die WHO-Sprecherin.
Tigermücke mittlerweile auch in Österreich
Stechmücken der Gattung Aedes übertragen das Chikungunya-Virus. Die Asiatische Tigermücke, Aedes albopictus, breitet sich in Europa aufgrund des Klimawandels immer weiter aus. Mittlerweile ist sie auch in allen österreichischen Bundesländern nachgewiesen, erklärte Mag. Dr. Karin Bakran-Lebl von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) in der Juni-Ausgabe von PharmaTime.
Eine Infektion mit dem Chikungunya-Virus „ist mit hohem Fieber und extrem starken Gelenksschmerzen verbunden, die als Gelenksentzündung manchmal monatelang anhalten können“, so Tropenmedizinerin Dr. Ursula Hollenstein in einem ausführlichen Interview mit Dr. Stefan Galoppi ebendort.

Entscheidend ist der Mückenschutz, der in Europa noch zu wenig ernstgenommen wird, weil Stiche zwar lästig, aber meist folgenlos waren.
Dr. Ursula Hollenstein
Fachärztin für Innere Medizin & Tropenmedizinerin
Anfang Juli berichtete das Robert-Koch-Institut (RKI) von einem autochthonen Chikungunya-Fall in Frankreich nahe der deutsch-französischen Grenze. Die betroffene Person wurde demnach offenbar durch den Stich einer infizierten Mücke direkt infiziert, brachte die Erkrankung also nicht von einer Reise mit.
Allerdings: „Eine räumliche Ausbreitung von Chikungunya ausgehend von dem Fall oder Cluster bei Straßburg ist möglich, aber nicht wahrscheinlich“, schreibt das RKI im Epidemiologischen Bulletin vom 10. Juli. „In Frankreich haben sich die meisten autochthonen Chikungunya-Ausbrüche der Vorjahre geografisch nicht sonderlich verbreitet.“
Mückenschutz ernst nehmen
Tropenmedizinerin Hollenstein merkte ebenfalls an: „Auch wenn die Berichte über Fälle in Südeuropa und die Ausbreitung der Tigermücke Aufsehen erregen, muss man die Größenordnung in Relation setzen (…) Entscheidend ist der Mückenschutz, der in Europa noch zu wenig ernstgenommen wird, weil Stiche zwar lästig, aber meist folgenlos waren“.
Chikungunya ist in Österreich nicht endemisch. Laut Jahresbericht meldepflichtiger Krankheiten des BMASGPK gab es 2024 in Österreich elf importierte Fälle. Für Reisen in Endemiegebiete liegt eine Impfempfehlung des Gesundheitsministeriums vor. Für innereuropäische Reisen ist angesichts der seltenen Fallzahlen in Europa die Sinnhaftigkeit einer Impfung allerdings fraglich, merkt Hollenstein an.
Lesetipp: Einen umfangreichen Schwerpunkt zum Thema Tropenkrankheiten finden Sie in PharmaTime, Ausgabe 6/2025





