Eine neue Leitlinie empfiehlt die GLP-1-Agonisten Semaglutid und Tirzepatid als erste Wahl bei starkem Gewichtsreduktionsbedarf. Je nach Komorbiditäten werden differenzierte Therapieempfehlungen ausgesprochen.
Die medikamentöse Behandlung von Adipositas könnte sich grundlegend ändern: Der Europäische Verband für Adipositasforschung (EASO) hat am 2. Oktober eine neue Leitlinie zur medikamentösen Therapie von Adipositas in „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Basierend auf einer systematischen Auswertung klinischer Studien spricht sich die EASO dafür aus, die Wirkstoffe Semaglutid (enthalten in Wegovy® und Ozempic®) und Tirzepatid (Zepbound®, Mounjaro®) als erste Wahl bei Patientinnen und Patienten mit hohem Gewichtsreduktionsbedarf einzusetzen.
Personalisierte Therapie je nach Begleiterkrankungen
„Obwohl es mehrere Optionen auf dem Markt gibt, sind Semaglutid und Tirzepatid in Wirklichkeit so wirksam, dass sie in fast allen Fällen die erste Wahl sein sollten“, sagt die Mitautorin der Studie, Andreea Ciudin, vom Universitätsklinikum Vall d’Hebron in Barcelona.
Die EASO-Leitlinie sieht die medikamentöse Adipositastherapie nicht als alleinige Maßnahme, sondern als Teil eines umfassenden Behandlungskonzepts. Die Auswahl des Medikaments soll je nach Begleiterkrankungen bzw. Komplikationen erfolgen:
- obstruktive Schlafapnoe oder Lebererkrankung (MASLD/MASH): Tirzepatid
- Kniearthrose oder kardiovaskulären Erkrankungen: Semaglutid
- Typ-2-Diabetes oder Herzinsuffizienz: Tirzepatid oder Semaglutid
- Prädiabetes: Semaglutid, Tirzepatid, aber auch Liraglutid oder Orlistat möglich
Kosten, Nebenwirkungen und Lebensstil
Obwohl beide Wirkstoffe nachweislich wirksam sind, weisen die Autoren der Leitlinie auf Herausforderungen hin:
- hohe Kosten
- gastrointestinale Nebenwirkungen
- Risiko für Nährstoffmängel und Muskelverlust
- häufige Gewichtszunahme nach Absetzen
Die EASO betont die Notwendigkeit von Ernährungs- und Lebensstilinterventionen als unverzichtbare Therapiegrundlage.
Zwar räumen die Autoren der Leitlinie ein, dass die Medikamente teuer seien. Jedoch sollten die Folgekosten einer Nichtbehandlung von Fettleibigkeit in einem frühen Stadium „bei gesundheitspolitischen und klinischen Entscheidungen gleichermaßen berücksichtigt werden“.
Originalpublikation:
McGowan B et al. Framework for the pharmacological treatment of obesity and its complications from the European Association for the Study of Obesity (EASO). Nature Medicine. 02 October 2025