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Wäre ich Apotheker …

Erinnern Sie sich noch an den letzten Gesundheitsminister? Genau, ich meine denjenigen, der Sie, geschätzte Apothekerinnen und Apotheker, unter Generalverdacht stellte, als es um die „Paxlovid-Causa“ ging. Inzwischen ist Zeit vergangen – das Ministerium neu besetzt. 

Die mediale Präsenz und den Ärger der Apotheken nahm die Österreichische Apothekerkammer offenbar zum Anlass, um an der Umsetzung einer (vermeintlichen) Lösung zu arbeiten. Mit der Entwicklung ihrer Versorgungsplattform sollten – zumindest aus der Sicht der Kammer – künftig ähnliche Situationen vermieden werden. Präsentiert wurde sie im Juni von Kammeramtsdirektor Mag. Walter Marschitz am APOkongress. Schnell wurde dabei deutlich: Nur Apotheken, die an der Versorgungsplattform teilnehmen und ihre Lagerstände bereitstellen, sollten künftig Bundesware (z.B. Paxlovid oder Grippeimpfstoffe) abgeben dürfen – so der Kammeramtsdirektor in seiner Präsentation. Auch eine in Aussicht gestellte zusätzliche Funktion machte diesen Umstand nicht weniger schwerwiegend. Diese sollte Apotheken dabei helfen, Kundinnen und Kunden bei der Suche nach schwer verfügbaren Medikamenten zu unterstützen. Neu ist diese Funktionalität nicht. Die App ApoScout zeigte bereits 2024, wie man dem Problem schwer verfügbarer Medikamente digital begegnen könnte – und wird laufend weiterentwickelt. 

Zurück zur Verpflichtung, die eigenen Bundeswaren-Lagerstände in die Plattform einzuspeisen, um Paxlovid & Co. abgeben zu dürfen. Da stellt sich die Frage: Lässt sich eine solche Einschränkung tatsächlich mit dem gesetzlich verankerten Versorgungsauftrag der Apotheken vereinbaren? Daran ließ die Präsentation des Kammeramtsdirektors keine Zweifel aufkommen – auch nicht an der behaupteten Datenschutzkonformität oder der Datenhoheit der Apotheken, die selbst entscheiden können sollten, mit wem sie ihre Daten teilen.

Hintergrundinformationen von informierten Quellen und technische Schnittstellenbeschreibungen zeichnen jedoch ein anderes Bild: Die individuelle Entscheidung der Apotheken darüber, welche Daten übermittelt werden sollen (Bundes- bzw. Nichtbundesware) war – jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt – mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht angedacht oder gar bereits realisiert. Dies sei, dem Vernehmen nach, erst auf Druck der Softwarehäuser hineinreklamiert worden und heute gesichert erst mit den Systemen von Datapharm und Kwizda möglich.

Auch in Bezug auf Datenverarbeitung, -speicherung und -verwendung gibt es mehr Fragen als Antworten. So habe es, laut vorliegenden Dokumenten, zumindest bis Ende September keinen finalen Datennutzungsvertrag gegeben. Ein solcher ist zwar zwischen Unternehmen – anders als im privaten Bereich – nicht zwingend vorgeschrieben, würde aber zahlreiche Unklarheiten für Apotheken beseitigen und für Transparenz sorgen. Damit könnte nachvollziehbar geklärt werden, welche Daten von wem für welche Zwecke wie gespeichert, verarbeitet oder gar weitergegeben würden – und an wen. 

PharmaTime liegt ein Schriftstück vor, in dem sich das Gesundheitsministerium zu dieser Causa zu Wort meldet. Eine Anfragebeantwortung mehrerer Apothekerinnen und Apotheker hat ergeben, dass „öffentliche Apotheken mangels Teilnahme an der Versorgungsplattform nach aktueller Rechtslage und Ausgestaltung vom Erhalt der angesprochenen ,Bundesware‘ nicht ausgeschlossen werden“ dürfen. Fällt diese Komponente also aus dem Leistungsportfolio der Plattform, bleibt am Ende nur die sogenannte „Nachbarschaftshilfe“. 

Wäre ich Apotheker, hätte ich einige Fragen: Wer verarbeitet meine Daten? Wo werden diese gespeichert? Wer hat Einsicht? Ist eine Erweiterung des Empfängerkreises geplant – mit welchem Zweck? Welche Kosten verursacht die Plattform? Bei wem liegt die Datenhoheit? Und wer ist zur Entscheidung über Weitergabe befugt?

Wäre ich Apotheker, würde es mich interessieren, ob das neue Informationsfreiheitsgesetz hält, was es verspricht – mehr Transparenz. Ich bin aber kein Apotheker – Sie schon!

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